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Leafly.de Patientenakte: Dennis, 30, ADHS, NRW

Gesa-2019 Autor:
Gesa Riedewald

Dennis hat gerade eine Petition gestartet. Der junge Mann leidet an ADHS, einer sozialen Phobie und Depressionen. Medizinalcannabis hat dazu beigetragen, dass er seine Erkrankungen im Griff hatte – so weit, dass er sogar wieder arbeiten konnte. Dennoch verweigert die Krankenkasse bereits seit drei Jahren, die Kosten für die Behandlung mit Cannabinoiden zu übernehmen. So sah sich Dennis gezwungen, seine Therapie abzubrechen.

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Arbeitsfähig durch Medizinalcannabis

Dennis kämpft bereits seit drei Jahren mit seiner Krankenkasse. Der ADHS-Patient leidet zusätzlich an einer sozialen Phobie und an Depressionen. Die Behandlung mit Cannabis als Medizin, die der junge Mann zurzeit aus eigener Tasche zahlen muss, hat bei ihm einen “durchschlagenden Erfolg und ist praktisch nebenwirkungsfrei”, wie Dennis berichtet.

Adulte ADHS

Die meisten Menschen verbinden das Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom (ADHS) mit Kindern und Jugendlichen. Tatsächlich aber bleibt die Erkrankung bei etwa 60 Prozent der Betroffenen bis ins Erwachsenenalter bestehen. Typische Symptome einer adulten ADHS sind innere Unruhe, Konzentrationsschwierigkeiten, exzessives Reden und das Unvermögen, sich zu entspannen. Fast alle erwachsenen ADHS-Patienten fühlen sich ruhelos und getrieben.

Was ist eine soziale Phobie?

Menschen mit einer sozialen Phobie, auch soziale Angststörung genannt, haben eine übersteigerte und irrationale Furcht davor, von anderen Menschen negativ bewertet oder abgelehnt zu werden. Die Angst bezieht sich beispielsweise auf Situationen, in denen die Betroffenen beobachtet oder bewertet werden könnten – wie in Prüfungssituationen oder, wenn sie in der Öffentlichkeit reden. Neben der Angst treten häufig Begleitsymptome auf, wie Schwitzen, Erröten, Zittern und Übelkeit. Diese Symptome können sich bis zu einer Panikattacke steigern.

Mit Medizinalcannabis ist Dennis im Alltag viel weniger eingeschränkt. Der Mann aus Nordrhein-Westfalen hat seine Leiden und Symptome so weit im Griff, dass er mit medizinischem Cannabis wieder seinen Beruf ausüben kann. Dennis arbeitet als Alltagsbegleiter bei der Caritas. Für seine Kunden führt er Gartenarbeit und Reparaturen durch. Doch obwohl die Cannabinoid-Therapie dem jungen Mann sehr gut hilft, will die Krankenkasse die Kosten nicht übernehmen.

Dennis geht vor Gericht

Am 04.10.2017 reicht der heute 30-Jährige seinen Antrag auf Behandlung mit Medizinalcannabis bei seiner Krankenkasse persönlich ein. Dann passiert erst einmal gar nichts. Da die Kasse den Antrag nicht schnell genug bearbeitet, tritt am 16.11.2017 die Genehmigungsfiktion ein.

Genehmigungsfiktion – was ist das?

Die Krankenkasse ist verpflichtet, über einen Antrag auf Cannabis-Therapie zügig, spätestens aber bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wird ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) eingeholt, verlängert sich diese Frist auf fünf Wochen nach Antragseingang. Wenn dieser zeitliche Rahmen ohne einen hinreichenden Grund nicht eingehalten wird, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt (§ 13 Abs 3a S 6 SGB V).

Die Krankenkasse von Dennis versuchte, diese Regelung zu umgehen, indem sie behauptete, dass dem Versicherten eine Absage des Antrags fristgerecht am Telefon mitgeteilt wurde. “Dieses Telefonat hat jedoch nie stattgefunden”, erklärt Dennis.

Der Fall landet vor dem Sozialgericht. Der zuständige Richter bestätigt, dass die Genehmigungsfiktion eingetreten ist. Die Krankenkasse konnte nicht überzeugend darstellen, dass tatsächlich ein Gespräch stattgefunden hat, in dem der Antrag auf Cannabis-Behandlung abgelehnt wurde. Darüber hinaus haben Gerichte auch inzwischen festgelegt, dass solche Bescheide nur bestand haben, wenn sie schriftlich erfolgen. Eine mündliche Absage allein reicht nicht aus.

Der Vergleich: zeitlich befristete Kostenübernahme

Vor Gericht wird Dennis ein Vergleich angeboten: Die Krankenkasse übernimmt die Kosten für die Cannabinoid-Behandlung, aber nur zeitlich befristet für rund eineinhalb Jahre. Dennis muss sich direkt entscheiden.

“Ich hatte nur wenige Minuten Zeit, dieses Angebot mit meinem Anwalt zu besprechen. Da ich zu diesem Zeitpunkt schon sehr angespannt war, fiel mir das unmittelbare Denken und die Entscheidung sehr schwer. Daher habe ich meinem Anwalt vertraut und mich auf den Vergleich eingelassen”, erzählt der ADHS-Patient.

Im Nachhinein stellte Dennis allerdings fest: “Die Krankenkasse hat hier vorsätzlich mit meinem und auch dem rechtlichen Unwissen meines Anwalts gespielt, denn eine stattgefundene Genehmigungsfiktion nach §13 Abs. 3a SGV B ist rechtlich ohne die Einwilligung des Betroffenen gar nicht befristbar.”

Hätte sich Dennis also nicht auf den Vergleich eingelassen, stünde er jetzt besser da – davon ist der junge Mann überzeugt. Dann wäre es nämlich die Entscheidung seines Arztes, ob medizinisches Cannabis weiterhin sinnvoll ist und angewendet werden sollte, oder nicht.

Krankenkasse und MDK lehnen Cannabinoid-Behandlung ab

Im Februar dieses Jahres reicht Dennis erneut einen Antrag auf Cannabinoid-Behandlung bei seiner Krankenkasse ein. Der MDK Nordrhein wird eingeschaltet und dieser entscheidet: Dennis erfüllt die nötigen Voraussetzungen für eine Therapie mit Medizinalcannabis nicht.

Diese Entscheidung führt dazu, dass der ADHS-Patient nach Ablauf der Kostenübernahme ab Ende März kein Cannabis als Medizin mehr erhält. Die Folgen des Therapieabbruchs sind ein depressiver Einbruch mit dauerhafter Arbeitsunfähigkeit.

Ohne Cannabis Medikamente verliert Dennis seine Stabilität wieder und kann daher jetzt schon seit mehr als zwei Monaten seiner Arbeit nicht mehr nachgehen. Inzwischen ist der junge Mann in finanziellen Nöten – er hat Sorgen, seine Miete in Zukunft nicht mehr zahlen zu können.

Für Dennis ist es nicht verständlich, wieso er nicht die Voraussetzungen für eine Cannabis-Therapie erfüllt:

“Der Krankenkasse liegt ein Attest meines Arztes vor, dass eine psychopharmakologische Polytherapie nicht ausreichend wirkt und dass die Nebenwirkungen nicht zumutbar sind. Dieses Attest unterstreicht andererseits auch, dass die erfolgreiche Monotherapie mit Cannabinoiden durchschlagende Erfolge erzielt hat, bis hin zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit. Die „spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome“, die die Cannabis-Behandlung laut Gesetz erzielen soll, wurde also jetzt schon erwiesen.”

Dennis kämpft für die Kostenübernahme

Dennis sieht alle Rahmenbedingungen erfüllt und fühlt sich ungerecht behandelt. Seine Erkrankung erschwert ihm den Kampf gegen die Bürokratie, aber er will nicht aufgeben. Daher hat er eine Petition gestartet, um sich so Gehör zu verschaffen und auf seine Situation hinzuweisen. Auch sein Recht auf körperliche Unversehrtheit sieht der junge Mann durch die Krankenkasse verletzt.

“Bei der Einführung des „Cannabis als Medizin Gesetzes“ am 10.03.2017 hat der Gesetzgeber ganz bewusst auf festgelegte Indikationen verzichtet, da es Studien zu Cannabis als Medizin einfach in noch nicht in ausreichendem und klaren Umfang gibt oder diese teils sehr widersprüchlich sind. Außerdem wirkt Cannabis immer sehr individuell. Gerade deshalb soll es den Ärzten überlassen werden, zu entscheiden, wann für ihre Patienten dies die beste Therapie-Alternative darstellt”, resümiert Dennis.

Wer die Petition von Dennis unterstützen möchte, findet sie hier:

 

Patienteninfos

Vor- und Nachname: Dennis

Alter: 30

Wohnort: Nordrhein-Westfalen

Krankenkasse: KKH Kaufmännische Krankenkasse

Diagnose/n: ADHS, soziale Phobie, Depressionen

Medikation: Cannabisblüten

Fachrichtung des verschreibenden Arztes: Anästhesistin / Ärztin für Naturheilverfahren

 

Das Leafly.de Patienteninterview

Leafly: Seit wann wendest Du Cannabis als Medizin an?

Dennis: Seit Oktober 2017.

Leafly: Wie bist Du denn darauf gekommen?

Dennis: Durch Medien und Facebook Gruppen.

Leafly: Wie war das erste Mal?

Dennis: Es war eine unglaubliche Erleichterung. Es ging mir lange nicht so gut!

Leafly: In welchen Momenten wendest Du es an?

Dennis: Als Dauermedikation.

Leafly: Hattest Du Schwierigkeiten mit der Krankenkasse?

Dennis: Ja, leider immer noch. Die Krankenkasse will die Kosten für die Behandlung nicht übernehmen. Ich kämpfe seit fast drei Jahren um die Kostenübernahme.

Leafly: Hast Du Angst vor einer Abhängigkeit?

Dennis: Nein.

Lieber Dennis, vielen Dank, dass Du Deine Geschichte mit uns geteilt hast. Wir wünschen Dir viel Erfolg mit Deiner Petition.

Ausführliche Informationen zum Thema ÁDHS/ADS finden Sie in diesem Artikel.

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