Mit 15 deutete sich bei Manuel an, dass etwas nicht stimmt. Er hatte durchgehend Blut im Stuhl, Hämorrhoiden und krampfhafte Schmerzen über viele Monate hinweg. Seine tägliche Toilettengangfrequenz lag bei 20 bis 30, was sein Leben enorm einschränkte. Er konnte keine Nacht durchschlafen, ohne im Stundentakt auf Toilette zu müssen. So plante er seine Wege danach, ob in der Nähe ein WC war.
Eine erste Diagnose nach zehn Monaten legte den Fokus auf Dickdarm, Übergang von Dick- und Dünndarm und Enddarm. Ein erster Krankenhausaufenthalt wurde jedoch zum Desaster, denn Manuel wurde wieder weggeschickt. Nachdem eine anschließende endoskopische Untersuchung ohne Narkose durchgeführt wurde, die Manuel unglaubliche Schmerzen verursachte, entschloss er sich dazu, Ärzte nicht mehr aufzusuchen. Sein Vertrauen war verloren.
Erste Therapie
Nach einem Spanienaufenthalt mit 16 Jahren verschlechterte sich Manuels Situation. Seine Eltern drängten ihn zum Arzt. Er kam direkt ins Krankenhaus, seine Hämorrhoiden und ein Darmriss wurden operiert. Kurze Zeit später erhielt er die Diagnose. Es war Morbus Crohn. Die Therapie begann. Mit Salofalk und Budenofalk wurde es anfangs ein wenig besser, doch nach einem Jahr verschlechterte sich sein Gesundheitszustand wieder. Manuel hatte wieder seine alte Toilettengangfrequenz erreicht, wie auch das Blut im Stuhl. Inzwischen war er bei einer Größe von 1,75 Metern auf unter 50 Kilogramm abgemagert.
Anschlussbehandlung
Manuel bekam neue Medikamente. Ein Immunsuppressivum half dabei, das Immunsystem herabzusetzen, so das die Entzündung ein wenig zurückging. Die Anschlussbehandlung wurde mit Kortison und Salofalk ergänzt. Als Manuel die hohe Kortisondosis auf Ärzteanweisung von einem anderen auf den anderen Tag komplett absetzte, war das Blut im Stuhl wieder da. Nach der Reha und einem Urlaub in Spanien bei Verwandten ging es Manuel jedoch wieder besser.
Versuch einer Ausbildung
Manuel fing eine Ausbildung zum Industriekaufmann an, die er jedoch nach einem Jahr aufgrund seiner Beschwerden wieder abbrechen musste. Auch sein Arbeitsweg, der 40 Minuten mit öffentlichen Verkehrsmittel betrug, war für ihn auf Dauer nicht zu schaffen.
Manuel begann einen Kleidungshandel von zuhause aus aufzubauen. Sein Vater war über Jahrzehnte selbstständig und so hatte Manuel das Grundwissen, was er dafür benötigte. Nun konnte er sich in Ruhe seiner Gesundung widmen. Er hörte auf zu Rauchen und Alkohol zu trinken – und registrierte, wie sein Darm auf alles reagierte. Manuel begann sich Regeln für sein Leben zu erarbeiten. Seine WC-Frequenz konnte er so deutlich verringern, doch ihn beutelten noch immer Krankheitsschübe, die von Mal zu Mal schlimmer wurden.
Neuer Therapieversuch
Gegen seine aggressive Entzündung versuchte Manuel eine monoklonale Antikörpertherapie. Doch Manuel reagierte nach etwas über einem halben Jahr mit schlimmen Nebenwirkungen darauf. Der Arzt klärte ihn über die häufigsten Nebenwirkungen auf. Zuerst ein geschwächtes Immunsystem und direkt danach eine deutlich erhöhte Wahrscheinlichkeit an Krebs zu erkranken. In der ersten Nacht hatte er direkt einen Albtraum, in dem er Krebs bekam. Krebs und Angstzustände gehören zu den Nebenwirkungen des Mittels. Zusätzlich bekam er Azathioprin, Salofalk, Kortison und Remicade, ein Mittel gegen rheumatoide Erkrankungen, Tumore, welches das Immunsystem beeinflusst.
Ernährungsumstellung
Manuel litt noch immer. In ihm kam die Frage auf, ob er sein Leben auf Dauer mit diesen Beschwerden so verbringen möchte, mit den ganzen Einschränkungen und Symptomen. In den letzten Jahren befasste er sich intensiv mit Naturheilmitteln und probierte, eins nach dem anderen aus. Nachdem ein Freund ihm sagte, dass er mal versuchen sollte, seine Ernährung komplett umzustellen, begann Manuel sich in das Thema einzulesen.
Die Grundsätze waren: kein Fleisch, kein Weizen. Erlaubt waren Dinkel, Bananen, Äpfel, Kartoffeln und Reis. Auf Dauer sich nur von Reis und Kartoffeln zu ernähren ging aber auch nicht. So entwickelte Manuel Rezepte für leckere bekömmliche Gerichte, die er vorkochen konnte. In seinem Blog hat er sie veröffentlicht.
Eine Entscheidung
Die Ernährungsumstellung tat Manuel sehr gut, doch inzwischen nahm er fünf starke Medikamente pro Tag. Er stellte fest, dass ihn die Präparate unglücklich machten und begann ein weiteres Mal mit der Suche nach Alternativen. Im Internet entdeckte er die Möglichkeit, Morbus Crohn mit Cannabis zu behandeln. Zunächst hatte er große Bedenken – die Wirkung eines Joints in seiner Jugend hatte ihn nicht überzeugt.
Eine regelmäßige Cannabis-Therapie konnte er sich vorerst nicht vorstellen. Doch er fand beim Recherchieren die Möglichkeit, Extrakte herzustellen, die besser dosiert sein sollten und keinen starken Rausch erzeugen. Dadurch wurde das Thema für ihn interessant. Um herauszufinden, ob er diesen Weg gehen könnte, baute er zunächst illegal ein paar Pflanzen White Widow und Critical Plus an und erstellte einen Extrakt. Es wirkte – Manuel ging es besser. So setzte er seine Medikamente schrittweise auf eigene Faust ab.
Die Verschreibung
Mit seinem positiven Ergebnis ging Manuel zu jedem Arzt, der ihn behandelte. Manche belächelten ihn, einer schrieb „Manuel lehnt Medikamente ab und therapiert sich allein mit Cannabis“, ein Arzt war empört. Dann kam die Gesetzesänderung zum legalen Einsatz von Cannabis in der medizinischen Therapie. Er ging nochmals zu seinem Hausarzt und präsentierte seine Ergebnisse.
Manuel war fast symptomfrei, seine WC-Frequenz war auf 3 Mal pro Tag gesunken. Er konnte nach Jahren endlich wieder schlafen und sein Stuhlgang war fast wie der eines gesunden Menschen. Da sein Hausarzt ihn lange kannte, begriff er, dass es sich eventuell tatsächlich um eine erfolgreiche Therapie handeln könnte und Manuel bekam ein BtM-Rezept über 60 Gramm Cannabisblüten pro Monat sowie den Volcano Verdampfer. Die Kostenübernahme der Krankenkasse war kein Problem.
Weitere Informationen zu chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen finden Sie in diesem Beitrag.
Manuel geht es gut
Inzwischen geht es Manuel sehr gut. Er ist seit über 1,5 Jahren vollständig medikamentenfrei, bis auf das medizinische Cannabis. Seine WC-Frequenz liegt derzeit bei zwei- bis drei Mal pro Tag. Schübe hat er nur noch ungefähr einmal im Monat, doch sie sind nicht mehr so stark. Seine WC-Frequenz ist dann nur noch vier bis sieben Mal pro Tag. Manuels Meinung nach ist das Cannabis aus der Apotheke sehr viel besser als das, welches er selbst angebaut hat. Der Wirkstoff- Gehalt war einsichtbar und so endlich optimal zu dosieren. Auch gibt es Sorten mit hohem CBD-Gehalt, die für seinen Crohn besser geeignet sind.
Patienteninfos
Name: Manuel
Alter: 24
Wohnort/Bundesland: Baden-Württemberg
Krankenkasse: TK
Diagnose: Morbus Crohn
Medikation: Cannabisblüten per Verdampfer
Favorisierte Sorte: Tagsüber Bedrolite, abends Argyle
Fachrichtung des verschreibenden Arztes: Hausarzt
Das Leafly.de Patienteninterview
Leafly.de: Seit wann wendest Du Cannabis als Medizin an?
Manuel: Seit Juli 2017 als Dauermedikation
Leafly.de: Wie bist Du denn darauf gekommen?
Manuel: Als die Legalisierung zur therapeutischen Behandlung mit Cannabis in Deutschland kam, gab es unglaublich viele Artikel im Internet darüber. Da bekam ich die Hoffnung, dass ich einen Arzt finde, der es mir verschreibt.
Leafly.de: Wie war das erste Mal?
Manuel: Ich habe es früher mal mit Freunden probiert. Da hat es mich der Rausch auf den Boden gedrückt und zu sehr entspannt. Das kannte ich so nicht und hat mir zu Beginn auch nicht vollständig gefallen. Es war zwar ein interessanter Zustand, mehr aber auch nicht. Ich hätte mir also nicht vorstellen können, jeden Tag Cannabis zu konsumieren. Aufgrund der verminderten medizinischen Wirkung, wenn man Cannabis mit Tabak kombiniert konsumiert, war das zuerst keine Option für mich. Ich bemerkte zwar während des Rausches eine Minderung der Symptome. Aber eben nur solange der Rausch anhielt. Danach war wieder alles beim Alten. Irgendwann habe dann ein Extrakt hergestellt und das veränderte meine Behandlungsmöglichkeiten. Der Rausch war reduziert und die medizinische Wirkung trat deutlich effektiver ein. Endlich konnte ich wieder durchschlafen, nachts musste ich nicht mehr auf Toilette. Es war ein ganz neues Lebensgefühl.
Leafly.de: Hattest Du Schwierigkeiten mit der Krankenkasse?
Manuel: Nein, keine.
Leafly.de: War Dein Medikament einmal nicht lieferbar? Was hast Du dann gemacht?
Manuel: Nein meine Apotheke hatte bisher keine Lieferschwierigkeiten. Mein Arzt verschreibt mir einfach Cannabisblüten. Dadurch habe ich die Auswahl, das zu nehmen, was da ist und was am besten zu meinen Symptomen passt.
Leafly.de: Hast Du eine Lieblingssorte?
Manuel: Bedrocan finde ich auf Dauer ein wenig zu stark und es wirkt auch nicht so, wie andere Sorten auf meinen Darm. Bei mir wirkt am besten tagsüber Bedrolite, abends Argyle oder Penelope. Bevorzugt verdampfe ich Argyle und Penelope. Zwischendurch kann es aber auch mal einen Monat Bedrocan oder Bakerstreet sein.
Leafly.de: Wie sieht es mit Deinem Job aus?
Manuel: Ich bin selbstständig und arbeite von zuhause aus. Das passt mir am besten.
Leafly.de: Bist Du glücklich?
Manuel: Ja, mittlerweile bin ich wieder glücklich. Es ist zwar nicht mehr wie früher, aber seit der medizinischen Behandlung mit Cannabis ist mein Leben wieder schöner und vor allem flexibler geworden. Ich kann wieder mit Freunden was unternehmen und ich habe wieder Spaß und die Kraft zu arbeiten. Das hat mich über viele Jahre sehr unglücklich gemacht, dass ich nicht mehr richtig „leben“ konnte und mein Leben so eingeschränkt war.
Vielen lieben Dank, lieber Manuel, für Deine Offenheit.
Wir wünschen Dir alles Liebe und viel Glück für Deine Zukunft.