Steve zeigte sich schon sehr früh zu Hause laut und verhaltensauffällig, wenn ihm langweilig war. Auch im Kindergarten und in der Schule zeigten sich die gleichen Wesenszüge: Bauklötze flogen durch den Raum, Klassenarbeiten erledigte er in Windeseile, doch wenn er weiterhin ruhig sitzen bleiben sollte, schmiss er Kügelchen durch das Klassenzimmer oder machte merkwürdige Geräusche.
Ausgezeichnete Noten, viele Schulverweise
Steve schrieb eine Eins nach der anderen ohne viel zu lernen, doch er war kein aufmerksamer Schüler. Im Gegenteil: Er hörte nicht zu, störte den Unterricht und war nicht zu bremsen. Lehrer gaben ihn sehr schnell auf.
Den einzigen Ausweg, den die Pädagogen sahen, war der Schulverweis, nicht die Auseinandersetzung mit ADHS. Dreimal wurde er allein von Grundschulen verwiesen, viermal von weiterführenden Schulen. Erst 1993 wurde ADHS diagnostiziert und er bekam Ritalin.
Ritalin verändert Steve, doch Verständnis ist nirgendwo zu finden
Das Ritalin half kaum, doch es veränderte auch Steves Wesen. Er litt durchgehend unter Schlafstörungen, seine Aufmerksamkeit wurde auf ein Minimum heruntergedrosselt und er hatte das Gefühl, den ganzen Tag wie in einer Wolke zu sein. Dieser Zustand wurde unerträglich.
Mit dem Anfang der Pubertät, als er zu einem kräftigen Mann heranwuchs, intensivierten sich die Probleme zu Hause. Steve merkte, dass das Ritalin ihn immer unmenschlicher machte und entschied sich, es absetzen. Dies wurde zum Streitpunkt, infolgedessen er zu Hause rausflog.
Das Leben von Steve hatte das Fundament verloren. Ohne Halt und mit durchweg schlechten Reaktionen auf seinen Charakter litt sein Selbstbewusstsein immens. So fand er sich in einem schlechten Freundeskreis wieder.
Stephanie rettet Steve
Vor zehn Jahren verliebte sich Steve in Stephanie. Sie wurden ein Paar. Stephanie half ihm erst einmal aus all dem Morast raus. Zunächst suchten sie im alten Umfeld neue Ärzte. Auch hier kamen lediglich die Verschreibungen für Ritalin und ähnliche Präparate heraus. Steve versuchte alle Medikamente, die ADHS drosseln sollten, aus.
Es zeigten sich bei ihm aber nur die Nebenwirkungen, die er schon erlebt hatte. Sie zogen in ein komplett neues Umfeld und suchten einen neuen Arzt.
Ein Artikel über die medizinische Anwendung von Cannabis bei ADHS
Vor ungefähr einem Jahr lass Steve einen Artikel im Internet über die Erfolge in der medizinischen Anwendung von Cannabis bei ADHS-Patienten von Dr. Grotenhermen. Er informierte sich weiter und ging mit seinen Informationen zu seinem Allgemeinmediziner.
Bei diesem stieß er auf offene Ohren. Sie besprachen, dass er für ein Testquartal erst einmal ein Privatrezept bekommen sollte. Dies ging problemlos.
Der erste Test: die erste durchgeschlafene Nacht seit zwölf Jahren
Die erste Anwendung führte Steve an einem Abend durch. Er wachte am nächsten Morgen auf und freute sich: Dies war die erste durchgeschlafene Nacht seit zwölf Jahren. Er hatte seine Medizin gefunden. Überraschenderweise hat auch die Krankenkasse mitgespielt. Als das Folgerezept ausgestellt wurde, bekam Steve das Geld für die Erstverschreibung gleich wieder. Auch die weiteren Kosten übernimmt die Krankenkasse.
Eine glückliche Zukunft hat begonnen
Seit dem geht es Steve immer besser, er ist glücklich. Ab und zu wird er von der Polizei angehalten, dann zeigt er ruhig seine Genehmigung vor. Natürlich wartet er nach Einnahme seines Präparates mindesten eine Stunde, bis er fahren kann – er ist sehr gewissenhaft und verantwortungsvoll. Im Auto zu verdampfen würde ihm nicht im Traum einfallen, warum sollte man auch die Polizei so provozieren.
Steve und Stephanie wollen nun gern Eltern werden, denn nun steht ihnen nichts mehr im Weg, nachdem sie schon so viel gemeistert haben. Steves Vater und seine große Schwester stehen hinter ihm. Seine Mutter hat vor einem Jahr den Kontakt abgebrochen, da sie sein neues Medikament nicht akzeptiert.
Anm. d. Autorin: Manche Geschichten nehmen mich als Mutter besonders mit. Ich verstehe nicht, warum man nicht hinter seinem Kind stehen kann. Auch die Lehrer sehe ich mehr in der Pflicht, da sie über ADHS bescheid wissen und in ihrem pädagogischen Studium den Umgang mit betroffenen Kindern gelernt haben. Ein Mensch, der es trotz dieses Hintergrundes geschafft hat, sich wieder so aufzubauen, verdient unser aller Respekt. Auch danke ich seiner Freundin Stephanie sehr, die einen maßgeblichen Anteil an seiner seelischen Genesung hatte.
Patienteninfos
Name: Steve
Alter: 35
Wohnort/Bundesland: Nordrhein-Westfalen
Krankenkasse: AOK
Diagnose: ADHS
Medikation: Red Nr. 4 (Arbeitszeit), Peace Naturals, 20-01 (Zuhause), 4x125mg/Tag über Verdampfer
Fachrichtung des verschreibenden Arztes: Allgemeinmediziner
Das Leafly.de Patienteninterview
Leafly.de: Seit wann wendest Du Cannabis als Medizin an?
Steve: Seit August 2017.
Leafly.de: Wie bist Du denn darauf gekommen?
Steve: Ich habe Berichte im Internet gelesen. Einen Artikel von Herrn Dr. Grotenhermen von der ACM.
Leafly.de: Wie war das erste Mal mit Cannabis?
Steve: Beruhigender als alle Medikamente, die ich je genommen habe. Ich konnte das erste Mal nach zwölf Jahren schlafen. Das war unglaublich. Ich weiß nicht, ob das jemand verstehen kann, der das noch nicht erlebt hat. Nicht schlafen zu können ist grausam. Mit Cannabis ist meine permanente innere Unruhe weg. Endlich hielt die Dauerschleife in meinem Kopf an. Früher gingen mir immer und immer wieder Dinge durch den Kopf. Dadurch fand ich keine Ruhe, die ich jetzt nachts habe, da er mal den Mund hält.
Leafly.de: In welchen Momenten wendest Du es an?
Steve: Als Dauermedikation. Dabei achte ich darauf, dass ich tagsüber eine Sorte nehme, die mich weniger schläfrig macht und abends eine entspannende Sorte.
Leafly.de: Welches Präparat in welcher Dosierung nimmst Du?
Steve: Derzeit finde ich Red No.4 klasse. Abends wähle ich eine Sorte, die mich noch mehr entspannt und dann natürlich auch schlafen lässt. Hier finde ich derzeit Peace Naturals 20-01 am besten. Insgesamt verdampfe ich vier mal am Tag 125mg.
Leafly.de: Gibt es Schwierigkeiten mit der Krankenkasse?
Steve: Merkwürdigerweise gibt es bei mir gar keine Schwierigkeiten. Ich bin meiner Krankenkasse sehr dankbar.
Leafly.de: Hast Du Angst vor einer Abhängigkeit?
Steve: Nein. Da hätte ich viel mehr Angst vor anderen Medikamenten. Chemische Abhängigkeiten zum Beispiel haben den schwersten Entzug zur Folge, den man sich vorstellen kann.
Leafly.de: Was ist Dein Job?
Steve: Ich bin Schweißer. Dieser Beruf ist perfekt für mich. Ich kann mich körperlich und kreativ absolut austoben. Ich bin sehr glücklich.
Lieber Steve, wir wünschen Dir weiterhin so viel Glück und Freude. Wir drücken die Daumen, dass bald eine Schwangerschaft ins Haus steht und senden liebste Grüße an Stephanie.
Ausführliche Informationen zum Thema ÁDHS/ADS finden Sie in diesem Artikel.