Was ist eine Polyneuropathie?
Bei der Polyneuropathie handelt es sich um eine Erkrankung des Nervensystems bzw. ist ein Teil des peripheren Nervensystems (PNS) gestört. Zum peripheren Nervensystem gehören alle autonomen, motorischen und sensiblen Nerven einschließlich der Hirnnerven außerhalb des zentralen Nervensystems (Gehirn, Rückenmark). Die Ursachen der Nerven-Erkrankung belaufen sich auf über 200 verschiedene Auslöser.
Wie häufig tritt eine Polyneuropathie auf?
Polyneuropathien (PNP) gehören zu den am häufigsten auftretenden Nervenkrankheiten. Schätzungen zufolge entwickeln drei Prozent aller Menschen im Laufe ihres Lebens eine Polyneuropathie, bei den über 65-Jährigen sogar acht Prozent. Ein besonders hohes Risiko, an einer PNP zu erkranken, tragen Diabetes-Patienten. Etwa 50 Prozent der Betroffenen entwickeln eine diabetische Polyneuropathie.
Die Therapie der neuropathischen Schmerzen ist trotz der modernen Medizin eine schmerztherapeutische Herausforderung. Nicht selten überwiegen die Nebenwirkungen der medikamentösen Therapie und bringen nur einen geringen Nutzen. Cannabis als Medizin kann hier eine Medikamentenoption sein, denn es existiert eine wachsende Zahl an wissenschaftlichen Beweisen, die das Potenzial von Cannabis zur Behandlung von neuropathischen Schmerzen unterstützen.
Hinzu kommen auch zahlreiche Erfahrungsberichte von Patienten, die ihre Symptome mit Cannabis erfolgreich behandeln. Das beschreiben auch die Forscher der kanadischen Dalhousie University im April 2018 in ihrer Abhandlung. Hier heißt es, dass das (körpereigene) Endocannabinoidsystem gezeigt hat, dass es durch die Aktivierung von zugeführten Cannabinoiden verschiedene Schmerzsubtypen lindern kann.
Polyneuropathie und ihre Ursachen
Eine Polyneuropathie kann die unterschiedlichsten Ursachen haben und man kennt inzwischen mehr als 200 verschiedene Auslöser. Jedoch bleiben bei ungefähr jedem fünften Patienten die Ursachen unbekannt. Grob unterschieden wird zwischen der angeborenen und der erworbenen Form der Polyneuropathie, wobei letztgenannte Form häufig vorkommt.
Die erworbene Polyneuropathie tritt meist infolge einer Erkrankung oder eines Mangelzustandes auf. Auslöser können beispielsweise sein:
- Diabetes mellitus (diabetische Polyneuropathie)
- Nierenschäden
- Infektionen (z. B. Borreliose, FSME oder HIV)
- Nährstoffmangel (z. B. Vitamin-B-Mangel)
- Alkoholismus
- Tumorerkrankungen
Die angeborene Polyneuropathie ist relativ selten. Sie wird unterschieden wie folgt unterschieden:
- Familiäre Amyloidneuropathie
- Hereditäre motorisch-sensible Neuropathie (HMSN)
- Chromatische Leukodystrophie
- Akute intermittierende Porphyrie
Polyneuropathie: Symptome und Beschwerden
Bei der Krankheit Polyneuropathie können sich verschiedene Symptome zeigen. Diese treten insbesondere in den Zehen, Füßen sowie Beinen auf. Eher selten zeigen sich die Symptome in den Fingern, Händen und Armen. Zu Beginn der Erkrankung kommt es in der Regel zu Schmerzen sowie verändertem Empfinden in den Beinen.
Symptome bei einer erworbenen Polyneuropathie
Typische Symptome für eine erworbene Polyneuropathie können beispielsweise sein:
- brennende Schmerzen
- Wadenkrämpfe in der Nacht
- Kribbeln (Ameisenlaufen)
- Taubheitsgefühle
- Muskelzucken
- Bewegungsunruhe
- Kälte- oder Wärmemissempfindungen
- Gangunsicherheit
- schmerzlose Wunden
Symptome bei einer autonomen Polyneuropathie
Die autonome Polyneuropathie ist eine Sonderform der Polyneuropathie bei der auch das vegetative Nervensystem betroffen ist. Häufig entwickelt sich diese Polyneuropathie im Rahmen eines Diabetes mellitus (diabetische Polyneuropathie). Infolge dessen können sich folgende Symptome äußern:
- Schwindel und Übelkeit
- Blutdruckregulationsstörungen
- Herzrhythmusstörungen
- Durchfall oder Verstopfung
- Störungen der Magenentleerung
- Störungen der Blasenentleerung
- Impotenz
Symptome bei einer angeborenen Polyneuropathie
Bei der angeborenen Polyneuropathie treten im Grunde die gleichen Symptome wie bei der erworbenen Polyneuropathie auf. Zusätzlich können sich noch folgende Symptome äußern:
- Karpaltunnelsyndrom
- Nachtblindheit
- spastische Lähmungen
- Lichtempfindlichkeit
- Gelenkverformungen
- Hautveränderungen
- Gang- und Sprachstörungen
Polyneuropathie: Untersuchungen und Diagnostik
Bei einem ausführlichen Anamnesegespräch wird der Arzt zunächst verschiedene Fragen stellen, wie etwa ob ein Diabetes mellitus vorliegt, ob viel Alkohol konsumiert wird und ob eine neurologische Erkrankung in der Familie vorkommt. Anschließend folgt eine neurologische Untersuchung, bei der die Nervensensibilität, die Reflexe sowie die Muskelkraft geprüft werden. Auch eine Blutuntersuchung ist notwendig, um andere Erkrankungen oder einen Nährstoffmangel auszuschließen.
Darüber hinaus können auch spezielle Untersuchungen wie die Messung der Nervenleitgeschwindigkeit (Elektroneurographie) und der Muskelaktivität (Elektromyographie) des peripheren Nervensystems notwendig sein. Ggf. wird auch eine Gewebeprobe von Nerven und Muskeln entnommen.
Was hilft wirklich bei Polyneuropathie? – Behandlung
Die Behandlung der Neuropathie richtet sich vor allem nach der jeweiligen Ursache. So ist es beispielsweise bei einer diabetischen Polyneuropathie wichtig, dass eine gute Blutzuckereinstellung erfolgt, da dies das schnelle Fortschreiten der Erkrankung verhindern kann. Liegt hingegen ein Nährstoffmangel als Ursache zugrunde, muss dieser ausgeglichen werden.
Polyneuropathie: Medikamente zur Linderung der Symptome
Einige Beschwerden, die im Rahmen der Krankheit Polyneuropathie auftreten, können mit Medikamenten behandelt werden. Zum Einsatz kommen häufig trizyklische Antidepressiva, die zur Schmerzreduzierung beitragen sollen. Auch Antikonvulsiva wie Gabapentin oder Carbamazepin, die normalerweise der Behandlung von Krampfanfällen dienen, können gegen Schmerzen helfen. Bei der Einnahme dieser Medikamente können jedoch Nebenwirkungen auftreten.
Cannabinoide und ihre Wirkung auf neuropathische Schmerzen
Auf klassische Schmerzmittel sprechen viele Patienten, die an neuropathischen Schmerzen leiden, häufig nicht an. Oftmals helfen noch nicht einmal starke Opiate. Die Cannabinoide aus der Cannabispflanze versprechen hingegen eine Schmerzlinderung. Viele Forscher sind dem nachgegangen, unter anderem auch die der Universität Bonn.
Diese führen aus, dass der psychoaktive Affekt des THCs durch die Aktivierung des Cannabinoid Rezeptors 1 (CB1) ausgelöst wird. Der CB1-Rezeptor ist Teil des Endocannabinoid Systems und eine Andockstelle für Cannabinoide, die insbesondere in den Nervenzellen vorkommen. Man nimmt an, dass der CB1-Rezeptor jedoch nicht für den Schmerzmitteleffekt verantwortlich ist, sondern der Cannabinoidrezeptor 2 (CB2), der unter anderem in den Immunsystemzellen vorkommt. Auch dieser wird von den Cannabinoiden stimuliert.
Das Forscherteam konnte nun aufzeigen, dass der CB2-Rezeptor als Bremse für verschiedene Abwehrmaßnahmen des Körpers fungiert. So reagieren Nerven auf Verletzungen mit einer Entzündungsreaktion, und ohne den CB2-Rezeptor würden sich die Entzündungen weiter ausbreiten und auf gesundes Nervengewebe übergehen. Dementsprechend sehen die Forscher diese übergreifenden Entzündungen als Ursache der Nervenschmerzen an.
Um diese Annahme zu bestätigen, wurden Mäuse untersucht, die keinen CB2-Rezeptor besitzen. Nach einer Ischias-Verletzung kam es bei den Labortieren zu einer starken Entzündungsreaktion infolge dessen sie unter neuropathischen Schmerzen litten. Der Botenstoff Interferon-Gamma scheint hier eine wichtige Rolle zu spielen, da dieser die Entzündungsreaktionen verstärkte. Durch die Aktivierung des CB2-Rezeptors konnte jedoch die Interferon-Produktion gedrosselt werden.
Studien belegen Wirksamkeit von Cannabis bei neuropathischen Schmerzen
Dass Cannabis neuropathische Schmerzen lindern kann, ist schon seit einigen Jahren bekannt. Aktuelle Studien können dies ebenfalls belegen. So veröffentlichten Forscher der University of Parma im Jahr 2017 ihre Ergebnisse einer umfangreichen Studie. Insgesamt wurden die Daten von 614 Schmerzpatienten ausgewertet, die zum größten Teil unter Nervenschmerzen litten. Insbesondere interessierte man sich dafür, in welcher Form die Patienten Cannabis erhielten und angewandt haben, welche Wirkung eingetreten ist, und ob Nebenwirkungen aufgetreten sind. Die Ergebnisse der Studie können wie folgt zusammengefasst werden:
- 91,9 Prozent der Schmerzpatienten erhielten pharmazeutisches Cannabis mit einem THC-Gehalt zwischen 18 und 23 Prozent sowie einem niedrigen Gehalt an CBD in Höhe von 0,3 bis 0,2 Prozent.
- 90 Prozent der Schmerzpatienten wendeten Cannabis parallel zu ihrer Schmerztherapie an.
- 76 Prozent der zuvor genannten 90 Prozent nahmen Cannabis über einen längeren Zeitraum ein. Hiervon berichteten 70 Prozent über eine gute Wirkung. Beschwerden über schwere Nebenwirkungen gab es nicht.
Die Forscher erklärten, dass die Therapie mit Cannabis effektiv und sicher zu sein scheint, obwohl mehr Daten und nachfolgende Studien benötigt werden, um die ideale klinische Indikation besser zu untersuchen.
Zu ähnlichen positiven Ergebnissen kommen auch die Forscher des Klinikums Lüdenscheid. Auch diese bestätigen, dass die Behandlung von neuropathischen Schmerzsymptomen, die auch im Rahmen einer Multiplen Sklerose auftreten können, unzureichend ist. Ziel der klinischen Studie war es, das positive Nutzen-Risiko-Verhältnis von Dronabinol aufzuzeigen. 240 MS-Patienten mit neuropathischen Schmerzen nahmen an einer 16-wöchigen placebokontrollierten Studie teil. Am Ende hieß es, dass die Studienergebnisse zeigen, dass Dronabinol eine sichere Langzeitbehandlungsoption darstellt.
Cannabis-Therapie kann subjektives Lebensgefühl und Schlafqualität verbessern
Erwähnenswert ist auch eine Studie, die an der University of Glasgow in Großbritannien durchgeführt wurde. An dieser nahmen mehr als 200 Probanden mit neuropathischen Schmerzen teil. So erhielten 128 Probanden ein Mundspray mit THC und CBD. Weitere 118 Probanden bekamen ein Placebo-Spray zusätzlich zu ihrer Schmerztherapie. Es war eine Dosierung des Sprays mit maximal acht Hüben innerhalb von drei Stunden erlaubt.
Die Wissenschaftler berichteten von einer signifikanten Verbesserung der Schmerzstärke in der Probandengruppe, die das THC-/CBD-Spray nutzen. Sie folgerten daraus, dass Cannabis eine wirkungsvolle Alternative zur Behandlung von chronischen Nervenschmerzen sein kann. Weiter wurde hinzugefügt, dass sich auch das subjektive Lebensgefühl sowie die Schlafqualität der Probanden gebessert hätten.
Lesen Sie hier den Erfahrungsbericht von Dominique, der unter anderem unter einer Polyneuropathie leidet.
Hinweis: In diesem Artikel berichten wir über rezeptpflichtiges CBD oder auch Cannabidiol. Dieser Artikel macht zur möglichen Zweckbestimmung keinerlei Vorschlag. Nutzversprechen bleiben den Apothekern überlassen.
Quellen: