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Die Rezeptoren des Endocannabinoid-Systems – eine Übersicht

Autor:
Dr. Christine Hutterer

Lange Zeit wusste man nicht, auf welche Weise Cannabis seine Wirkungen im Körper entfaltet. Erst mit der Entdeckung der Wirkstoffe wie THC, CBD und anderen Phytocannabinoiden, der Entdeckung der Rezeptoren, an die Phytocannabinoide andocken können und zuletzt der Entdeckung der körpereigenen Cannabinoide Anandamid und 2-Arachidonylglycerol (2-AG) wurde einiges klarer - vieles ist aber noch immer im Dunkeln.

Die Rezeptoren des Endocannabinoid-Systems – eine Übersicht

Wie funktionieren Rezeptoren im Körper und wofür sind sie gut?

Signalweiterleitung funktioniert im Körper in vielen Fällen über Rezeptoren, an die bestimmte Moleküle (Liganden) andocken können. Ein Rezeptor ist ein Protein mit einer bestimmten Struktur. Die Bindung an den Rezeptor bewirkt – je nach Lokalisation – eine Reaktion an der Zellmembran, im Inneren der Zelle, im Zellkern, an Organellen der Zelle usw.  Diese Reaktion kann über verschiedene Mechanismen erfolgen.

Häufig bildet der Rezeptor mit dem Liganden einen so genannten Rezeptor-Liganden-Komplex. Das kann zu einer Änderung der dreidimensionalen Struktur des Rezeptorproteins führen. In der Folge können sich Poren, die vorher geschlossen waren, öffnen und Moleküle oder Ionen in die Zelle ein- oder aus der Zelle austreten. Diese Veränderungen bedeuten für Zellen wertvolle Informationen und bewirken nachfolgende Reaktionen.

Doch damit nicht genug. Über bestimmte Verstärkungssysteme, die an den Rezeptor gekoppelt sind (G-Proteine), können positive Signale verstärkt und negative Signale abgeschwächt werden. Zudem unterscheiden sich die Liganden in ihrer Wirkungsweise auf den Rezeptor. Es gibt so genannte Agonisten und Antagonisten.

Was ist anders bei Endocannabinoid Rezeptoren?

Das Endocannabinoidsystem besteht streng genommen nur aus den beiden Endocannabinoiden Anadamid und 2-AG sowie den beiden Rezeptoren CB1 und CB2. Doch es wurden inzwischen eine Reihe weiterer Rezeptoren in Zellmembranen entdeckt, an die Endocannabinoide, Phytocannabinoide oder synthetische Cannabinoide binden können.

Aus diesem Grund vermutet man, dass diese Rezeptoren für die Signalübermittlung durch (Endo-)Cannabinoide, und damit letzten Endes für die Wirkungen, von Bedeutung sind.

Name des RezeptorsFunktionsweiseLokalisationLiganden / BindungspartnerWirkungen im Körper
CB1 – Cannabinoidrezeptor 1 (alternative Bezeichnung CNR1)Transmembraner (= die Zellmembran von der Außenseite der Zelle bis zur Innenseite der Zelle durch spannend) G-Protein-gekoppelter Rezeptor, moduliert über verschiedene Mechanismen unterschiedliche Ionenkanäle in der Zellmembran im Zellinneren und steuert so die Übermittlung von Information in der Zelle über mehrere Wechselwege (z.B. Adenylatcyclase, Calciumkanäle, cAMP, protein kinase A, ERK1/2, u.a.).Vorwiegend auf Nervenzellen. Am häufigsten kommt er im Kleinhirn, in den Basalganglien sowie im Hippocampus vor. CB1 ist vorwiegend präsynaptisch lokalisiert.Agonisten:

  • Anandamid (Vollagonist)
  • 2-AG (Vollagonist)
  • THC (Partialagonist)
  • CBD
  • u.v.m.

Antagonisten:

  • CBD
  • δ8-Tetrahydrocannabivarin
  • Cannabigerol
  • Pregnenolon (Vorläufer des Hormons Progesteron)
  • Rimonabant
  • u.v.m.
Die Hirnregionen, in denen der CB1-Rezeptor vorwiegend gefunden wird, deuten darauf hin, dass er relevant bei der Gedächtnisbildung (Hippocampus, Kleinhirn), Bewegungsregulation (Basalganglien, Kleinhirn), Angst (Amygdala), Stress (Hypothalamus), Depression (präfrontaler Cortex) und anderen Prozessen sein könnte. Klinische Beobachtungen decken sich weitgehend mit diesen Vermutungen.

Veränderungen in der Lokalisation und Menge der CB1-Rezeptoren könnte mit Krankheiten wie Parkinson oder Schizophrenie in Zusammenhang stehen.

CB2 – Cannabinoidrezeptor 2Transmembraner (= die Zellmembran von der Außenseite der Zelle bis zur Innenseite der Zelle durch spannend) G-Protein-gekoppelter Rezeptor, moduliert verschiedene Ionenkanäle in der Zellmembran und steuert so die Übermittlung von Information in der Zelle über mehrere Wechselwege (z.B. Adenylatcyclase, cAMP, protein kinase A, ERK1/2, u.a.).Vorwiegend auf Zellen des Immunsystems (in der marginalen Zone der Milz, in den Mandeln, im Thymus, im Knochenmark, in B-Zellen, T-Zellen und Monozyten/Makrophagen) und im Gehirn (z.B. Hippocampus)Agonisten:

  • Anandamid (Vollagonist)
  • 2-AG (Vollagonist)
  • THC (Partialagonist)
  • CBD
  • u.v.m.

Antagonisten:

  • CBD
  • Rimonabant
  • δ8-Tetrahydrocannabivarin
  • Cannabigerol
  • Pregnenolon (Vorläufer des Hormons Progesteron)
Die Verteilung der CB2-Rezeptoren in Geweben und auf Zellen des Immunsystems lassen eine wichtige Funktion in der Regulation bzw. Modulation des Immunsystems bzw. entzündlicher Prozesse vermuten. Es ist bekannt, dass die Bildung von CB2-Rezeptoren im zentralen Nervensystem  durch entzündliche Reize gefördert wird. Daher könnten sie bei der Entstehung und der körpereigenen Reaktion auf Verletzungen des Nervensystems eine Rolle spielen, z.B. bei Alzheimer.

Non-Cannabinoidrezeptoren

Neben den beiden Endocannabinoidrezeptoren wurden eine Reihe weiterer Rezeptoren entdeckt, die entweder den Endocannabinoidrezeptoren CB1 und CB2 strukturell ähnlich sind oder/und ebenfalls bestimmte (Endo-)Cannabinoide binden können und Signalweiterleitung in Zellen vermitteln. Man nennt diese auch non-Cannabinoidrezeptoren.

In vielen Fällen wurde beobachtet, dass eine Bindung bestimmter (Endo-)Cannabinoide an solchen Rezeptoren stattfinden kann. Wie wichtig diese Rezeptoren jeweils für die Wirkung der Cannabinoide sind, ist aber häufig noch unklar.

Für folgende Rezeptoren wurden bereits Interaktionen mit (Endo-)Cannabinoiden gezeigt.

Name des RezeptorsFunktionsweiseLokalisationLiganden / BindungspartnerWirkungen im Körper
GPR55Transmembraner (= die Zellmembran von der Außenseite der Zelle bis zur Innenseite der Zelle durch spannend) G-Protein-gekoppelter Rezeptor. Die Aktivierung führt zur Signalweitergabe über verschiedene Wechselwege (z.B. rhoA, cdc42 and rac1)GPR55 ist in verschiedenen Geweben und Zelltypen nachweisbar. Unter anderem findet man es im Gehirn, wo es teilweise mit CB1 bzw. CB2 co-lokalisiert. Des Weiteren ist es in Geweben des Immunsystems (Milz, Lymphknoten) und vielen weiteren Geweben nachweisbar.Agonisten:

  • Anandamid
  • 2-AG
  • THC

Antagonisten:

  • CBD
Verschiedene Experimente deuten auf einen weiteren existierenden Cannabinoidrezeptor hin. Bislang ist GPR55 nicht eindeutig als Cannabinoidrezeptor klassifiziert worden. Die Ähnlichkeit (Homologie) der Proteinbausteine (Aminosäuren) zwischen CB1 bzw. CB2 und GPR55 liegt bei (relativ geringem) 14%. Nichtsdestotrotz können einige (Endo)Cannabinoide an GPR55 binden. Die Signalweiterleitung in die Zelle läuft über andere Signaltransduktionsketten als bei CB1 und CB2. Es gibt starke Hinweise darauf, dass CB1 bzw. CB2 und GPR55 in bestimmten Zellen gemeinsam vorkommen und sich auch verbinden können (Heterodimere bilden). Unklar ist aber weiterhin die genaue Funktion von GPR55. Neue Untersuchungen an Ratten deuten darauf hin, dass GPR55 bei räumlichem Lernen und Gedächtnis eine wichtige Rolle spielt.
GPR18G-Protein-gekoppelter Rezeptor.GRP18 findet sich in Zellen der Milz, des Knochenmarks, dem Thymus der Lunge und im Kleinhirn und anderen Hirnregionen.Agonisten:

  • CBD (Partialagonist)
  • THC
  • Anandamid
Über die physiologischen Effekte von GPR18 ist wenig bekannt. Aufgrund der Tatsache, dass (Endo)Cannabinoide an den Rezeptor binden können, wird GPR18 als Kandidat für einen Cannabinoidrezeptor gehandelt.
GPR119G-Protein-gekoppelter Rezeptor.GPR119 findet sich vorwiegend in Zellen der Bauchspeicheldrüse und des Magen-Darm-Traktes und im Gehirn.
  • Oleoylethanolamide OEA – ähnelt dem Anandamid, aktiviert aber nicht den Cannabinoid-Pathway
  • Anandamid
Aufgrund struktureller Ähnlichkeiten zum CB1- und CB2-Rezeptor wird seit einigen Jahren nach Hinweisen gesucht, ob GPR119 ein Cannabinoidrezeptor sein könnte.

Der Ligand OEA steuert im Körper die Nahrungsaufnahme und das Sättigungsgefühl. Diese Tatsache könnte ein Hinweis auf eine Verbindung zum Cannabinoidsystem sein, denn es ist bekannt, dass das Endocannabinoidsystem an der Regulation des Appetits beteiligt ist. Therapeutisch wird das bei Appetitlosigkeit z.B. bei HIV/AIDS oder Krebserkrankungen genutzt.  

Vanilloid-Rezeptor Typ 1 (VR1, auch Capsaicin-Rezeptor, transient receptor potential cation channel subfamily V member 1, TRPV1) Transmembranprotein aus der Familie der TRP-IonenkanäleTRPV1 ist vorwiegend in den Nervenzellen des zentralen und peripheren Nervensystems lokalisiert, die am Schmerzempfinden und der Schmerzverarbeitung beteiligt sind.Agonisten:

  • Capsaicin
  • weitere Toxine (z.B. Psalmotoxine, Vanillotoxine)
  • Anandamid
Die Hauptfunktion von TRPV1 ist die Wahrnehmung und Steuerung der Körpertemperatur. Durch Temperaturen über 43° wird er aktiviert. Des Weiteren spielt es eine wichtige Rolle bei der Schmerzwahrnehmung, bei der Modulation des Blutflusses und der Regulation der gelösten Stoffe in den Zellen.

Welche Rolle TRPV1 im Endocannabinoidsystem spielt, ist noch nicht komplett klar. Interessant ist jedoch, dass Anandamid nicht nur an TRPV1 binden kann, sondern eine wechselseitige Regulation vorliegt. Bindet Anandamid an CB1 oder CB2, so wird dadurch die Empfindlichkeit des TRPV1-Rezeptors beeinflusst. Zugleich wird durch eine Aktivierung des TRPV1 die Bildungs (Synthese) von Anandamid reguliert.

Vanilloid-Rezeptor Typ 2 (VR1, auch Capsaicin-Rezeptor, transient receptor potential cation channel subfamily V member 1, TRPV1)Transmembranprotein aus der Familie der TRP-IonenkanäleDer TRPV2-Rezeptor findet sich in sensorischen Neuronen mittleren und großen Durchmessers, in Motorneutornen, aber auch im Gehirn und Rückenmark. Weitere Gewebe, in denen TRPV2 stark exprimiert ist, sind die Lymphknoten, Milz sowie Zellen des Immunsystems (Lymphozyten, Granulozyten, Makrophagen, Mastzellen), Lunge, Blinddarm und Plazenta. Agonisten:

  • CBD
  • CBG
Der TRPV2-Rezeptor ist, wie TRPV1, in die Wahrnehmung der Körpertemperatur involviert. Allerdings reagiert er erst bei Temperaturen über 52°C. Viel wichtiger scheinen aber die Funktionen in der Osmoseregulation und in Reaktionen auf mechanische Reize. Der Rezeptor reagiert auch verschiedene Hormone, Wachstumsfaktoren, mechanische Dehnung, Hitze, osmotisch bedingte Schwellungen und Cannabinoide.

Er ist beteiligt an zentralen Prozessen wie der Kontraktion, Zellwachstum und -teilung und Zelltod. In unkontrolliert wachsenden Zellen (Krebs) kann TRPV2 den programmierten Zelltod (Apoptose) einleiten. Bei Störungen dieses Vorgangs können Krebszellen allerdings überleben und Tumore weiter wachsen. Abhängig vom Gewebe, in dem der TRPV2 exprimiert ist, erfüllt er unterschiedliche Funktionen.

5-HT1ATransmembranprotein aus der Familie der Serotonin-Rezeptoren. Er ist an ein hemmendes G-Protein gekoppelt5-HT1A findet sich prä- und postsynaptisch vor allem im Gehirn (Hirnrinde, Hippocampus, Amygdala, Raphe Kernen) und peripheren Nervenzellen. Agonisten:

  • CBD
  • Serotonin

Antagonisten:

  • Propranolol
  • Dotarizin
Die Aufgabe von 5-HT1A ist es, an den Synapsen die Konzentration des Neurotransmitters Serotonin zu “messen”. Da die Serotoninkonzentration mit dem Angstempfinden zusammenhängt, ist 5-HT1A ein möglicher Ansatzpunkt bei der Behandlung von Angststörungen. Agonisten an dem Rezeptor wirken potentiell angstlösend. CBD ist ein Agonist für 5-HT1A. Bekanntermaßen hat CBD angstlösende Wirkungen. Diese könnten über die Bindung an 5-HT1A vermittelt werden.
µ-Opioid-RezeptorHemmender G-Protein gekoppelter Rezeptor.µ-Opioid-Rezeptoren kommen vorwiegend im zentralen Nervensystem (z.B. Thalamus) und im Magen-Darm-Trakt vor. Der µ1-Rezeptor kommt präsynaptisch, der µ2-Rezeptor postsynaptisch vor. Agonisten:

  • Endorphin
  • Morphin
Die Effekte des µ1-Rezeptors sind Schmerzlinderung, Erniedrigung der Körpertemperatur, Euphorie und eine Engstellung der Pupillen.

Es ist bekannt, dass sich das Opioidsystem und das Endocannabinoidsystem wechselseitig beeinflussen können. µ-Opioide-Rezeptoren sind beispielsweise für die schmerzlindernde Wirkung von THC notwendig. Werden sie blockiert, bleibt die Wirkung aus.

Die Bedeutung dieser Rezeptoren für die Wirkungen der Endocannabinoide und der Phytocannabinoide ist noch nicht abschließend geklärt. Ebenso besteht die Möglichkeit, dass noch weitere Rezeptoren entdeckt werden, welche Endo- oder Phytocannabinoide binden können.

Die Erforschung von Rezeptoren ist sehr komplex. Es ist nicht leicht, zweifelsfrei zu zeigen, welcher Rezeptor für welche Bindung und die exakte nachfolgende Reaktion verantwortlich ist. Dazu sind aufwändig Experimente im Labor notwendig. Doch jede neue Erkenntnis ist ein weiteres Puzzleteil, das das Bild vervollständigt.

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Hinweis: In diesem Artikel berichten wir über rezeptpflichtiges CBD oder auch Cannabidiol. Dieser Artikel macht zur möglichen Zweckbestimmung keinerlei Vorschlag. Nutzversprechen bleiben den Apothekern überlassen.

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