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Der Schillo: Probleme der Cannabistherapie im Gesundheitsbetrieb

Schillo Gesundheitsbetrieb Autor:
RA Matthias Schillo

Der Schillo ist die juristische Kolumne auf Leafly.de. Rechtsanwalt Matthias Schild schreibt zu wichtigen juristischen Thema rund um Cannabis als Medizin aus seiner Sicht. Diesmal geht es um die Bedenken von Ärzten, Krankenkassen und Apothekern, die nach dem Inkrafttreten des Cannabisgesetzes auftauchten.

Der Schillo: Probleme der Cannabistherapie im Gesundheitsbetrieb

In der nachfolgenden Kolumne stellt Rechtsanwalt Matthias Schillo die Erschwernisse für die Patienten und die dafür angegebenen Gründe im Gesundheitsbetrieb dar. Unter den Cannabispatienten wächst die Unruhe. Wer geglaubt hatte, die Versorgung mit dem existentiell notwendigen Medikament werde nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften (i.F.: Cannabisgesetz) einfacher, sieht sich getäuscht. Ärzte, Krankenkassen und Apotheken legen plötzlich Bedenken an den Tag, die sie vor Inkrafttreten des Gesetzes, als die Patienten in der Regel noch selbst zahlen mussten, nicht hatten.

Die aktuellen Erschwernisse der Versorgung mit Medizinalhanf im Gesundheitsbetrieb

Ärzte, die seit Jahren Erfahrung mit der Cannabis Medikation aufgebaut haben, verweigern die Weiterbehandlung – und zwar meist ohne Begründung. Wenn Gründe genannt werden, dann ist es die Sorge um die Überschreitung des bei Kassenpatienten einzuhaltenden Budgets.

Mir liegt aber auch ein Zweizeiler vor, in dem der Arzt erklärt, die Wirkung von Apothekencannabis sei wissenschaftlich nicht belegt. In einem weiteren Fall reagiert der Haus- und Vertrauensarzt des Patienten auf die Bitte um eine Epikrise zur langjährigen Behandlung seines Schmerzpatienten mit Cannabis flos überhaupt nicht – und zwar obwohl er weiss, dass dieses Kurzgutachten im Widerspruchsverfahren des Patienten gegen die Verweigerung der Kostenübernahme durch seine Krankenkasse benötigt wird und die Kasse bereits signalisiert hat, dem Widerspruch statt zu geben, wenn eine aussagefähige Darstellung des bisherigen Behandlungsverlaufs und der Erfolge vorliegt.

Schon diese Zurückhaltung der Ärzteschaft (in einigen Fällen kann man durchaus auch von einem Sinneswandel sprechen) wäre für Patienten, die auf die Cannabis-Medikation angewiesen sind, Grund zur Sorge.

Wohlgemerkt, es geht hier um Patienten, die schon in der Vergangenheit über die Erlaubnis zur Cannabis-Medikation verfügten, die hinsichtlich aller für ihr Krankheitsbild in Betracht kommenden konventionellen Therapien als austherapiert galten und die über Jahre bewiesen hatten, dass sie mit dem psychotropen Aspekt des Wirkstoffs THC umgehen können.

Dass auch mehrere Krankenkassen Bedenken gegen die nunmehr gesetzlich geregelte Kostenübernahme äußern würden, war zu erwarten

Wir erwarten von Krankenkassen, dass sie vor einer Kostenübernahme die verordnete Medikation auf Plausibilität und Wirtschaftlichkeit überprüfen. Dementsprechend haben die Kassen in den mir vorliegenden Fällen zwar zunächst die Kostenübernahme verweigert, dann aber auf den Widerspruch der Patienten und nach Vorlage aktueller ärztlicher Stellungnahmen zum bisherigen Verhandlungsverlauf, (und nach Einschaltung des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen – MDK) ihre Bereitschaft zur Kostenübernahme erklärt.

Dabei hat sicher auch geholfen, dass erste Entscheidungen der Sozialgerichte die Kostenübernahmepflicht entsprechend der neuen gesetzlichen Regelung bestätigt haben.

Was ist los in den Apotheken?

Sie haben die Preise gegenüber der Zeit vor Inkrafttreten des Cannabis Gesetzes zum Teil mehr als verdoppelt. Ein Ende der Preisspirale ist nicht in Sicht.

Darüber hinaus sehen die Interessenvertreter der Apotheken die Gelegenheit das Bewusstsein der Öffentlichkeit auf die hohe Qualifikation der approbierten Apotheker zu lenken und ihre Unverzichtbarkeit in der Kette der Berufe der Patientenversorgung hervorzuheben. Mit zusätzlichen Prüf- und Plausibilitäts Anforderungen an die Apotheker wird denn auch die exorbitante Kostensteigerung erklärt.

So erläutert der Präsident der Bundesapothekerkammer, Dr. Andreas Kiefer, in einem Schreiben an Dr. Franjo Grotenhermen die Kostensteigerung mit aufwendigen Zusatzarbeiten der Apotheker (die vor Inkrafttreten des Gesetzes und für Selbstzahler aber noch nicht gegolten hatten):

  • Die Cannabisblüten würden unzerkleinert und mehr oder weniger in ihre Einzelteile zerfallen angeliefert. Es sei für die Patienten schwierig eine exakte, reproduzierbare Dosierung daraus zu gewinnen. Deshalb müssten die Apotheken die Blüten mahlen und durch ein 2 mm Sieb geben.
  • Erst dann dürften sie Cannabis flos einzeldosiert oder zusammen mit einer geeigneten Dosierhilfe abgeben. Nur auf ärztliche Anweisung und nach entsprechender Risikobeurteilung durch den Apotheker könne auf diese Aufbereitung von Cannabisblüten verzichtet werden.

In seiner Antwort auf diesen Brief des Apothekerpräsidenten weist Dr. Grotenhermen unter anderem darauf hin, dass die angeblich notwendige Zerkleinerung durch ein 2 mm Sieb Nachteile bei der reproduzierbaren Dosierung biete, weil dadurch die Pflanze so stark beschädigt werde, dass die Oxidation von THC zu Cannabinol beschleunigt werde. Er rezeptiere daher Cannabisblüten grundsätzlich mit dem Vermerk: „unzerkleinert abgeben“.

Dieser Hinweis des in der Cannabis Medizin führenden Arztes wird bei den meisten Apotheken nicht ankommen

Denn wie uns die „Apotheken Umschau“ vom 30.08.2017 ausführlich berichtet, arbeiten die wissenschaftlichen und beratenden Abteilungen des Apothekerverbandes an umfangreichen, detaillierten und damit kostenintensiven Anforderungen, die die Apotheken zu erfüllen hätten, bevor aus dem vom BfArM als Bundesopiumstelle angebotenen Cannabis ein verkehrsfähiges Rezepturarzneimittel werde.

An der detaillierten Begründung dieses Engagements der Apotheker arbeiten u.a. das „Prüflaboratorium des Deutschen Arzneimittel-Codex“ und das „Pharmazeutische Laboratorium des Neuen Rezeptur-Formulariums“, beides Einrichtungen der Apothekerschaft.

Ich muss mich wiederholen: Vor Inkrafttreten des Cannabis Gesetzes bestanden diese Bedenken noch nicht. Damals war allerdings auch der Markt noch zu klein, um in den Fokus der berufsständischen Organisationen der Apothekerschaft zu gelangen.

Schillo zieht Bilanz zum Gesundheitsbetrieb

Es hakt kräftig im alltäglichen Gesundheitsbetrieb in Deutschland. Neben und vor diesen offen liegenden Gründen für die Verschlechterung der Versorgungssituation vieler Cannabispatienten gibt es einen vorgelagerten, auch die Abwehrhaltung von Legislative und Exekutive (der Politik) erklärenden, gewissermaßen ideologischen Komplex, der sich schon in der unverhältnismäßigen, der Gefahrenlage nicht entsprechenden Reglementierung des Anbaus und des Vertriebs von Medizinal Cannabis äussert.

Denn schon an dieser Stelle der Kette zeigt der Gesetzgeber, dass er von einer dramatischen Gefährlichkeit des Medizinal Rohstoffes ausgeht und deshalb hohe Investitionen in die Sicherheit, die wissenschaftliche Reproduzierbarkeit und die Dokumentation verlangt.

Quellen:

  • Anm. d. Red.: Der renommierte Anwalt und Hanf Kämpfer der ersten Stunde, Matthias Schillo, schreibt auf Leafly.de zu wichtigen juristischen Themen rund um Cannabis als Medizin in einer juristischen Kolumne/Glosse.

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