Neue Studie sucht nach Hinweisen auf kausale Zusammenhänge
In einer neuen Studie, die im August 2018 in der Zeitschrift Nature Neuroscience erschienen ist, untersuchten Forscher des „International Cannabis Consortium“ das Genom nach Zusammenhängen zwischen Cannabiskonsum und Schizophrenie: In der sogenannten „genomweiten Assoziationsstudie“ wurde gezielt nach winzigen Variationen im Genom (sog. SNP’s; sprich: snips) gesucht, die für Individuen charakteristisch sind, die Cannabis konsumieren, oder zu irgendeinem Zeitpunkt in ihrem Leben konsumiert haben.
Auch winzige Veränderungen in Genen können deren Regulation verändern, so dass sie stärker oder schwächer abgelesen werden. Das hat Folgen auf – mitunter – zahlreiche Prozesse und Stoffwechselvorgänge im Körper. Die Studie identifizierte 35 verschiedene Gene, die mit dem Cannabiskonsum assoziiert sind, mit den stärksten Assoziationen im Gen CADM2.
„CADM2 wurde bereits mit riskantem Verhalten, Persönlichkeit und Alkoholkonsum in Verbindung gebracht“, sagte Jacqueline Vink von der Radboud University und der Hauptautorin der Studie.
Eine solche Studie ist in der Cannabisforschung nicht die erste ihrer Art, allerdings ist sie mit einer Populationsgröße von über 180.000 Individuen die bisher Größte ihrer Art.
Schizophrenie erhöht das Risiko für Cannabiskonsum
“Unsere Untersuchungen haben gezeigt, dass Menschen mit Anfälligkeit für Schizophrenie auch eher geneigt sind, Cannabis zu konsumieren.“ – So fasste Jaqueline Vink, eine der Autorinnen der Studie, die Ergebnisse zum Thema Cannabiskonsum und Schizophrenie zusammen.
Die Wissenschaftler untersuchten sowohl die Möglichkeit, dass Cannabiskonsum das Entstehen einer Schizophrenie begünstigen könnte als auch die umgekehrte Möglichkeit, nämlich dass eine (noch nicht manifeste) Schizophrenie den Konsum von Cannabis begünstigt.
Demnach wurden nur „schwache“ Hinweise darauf gefunden, dass Cannabiskonsum zu Schizophrenie führt – Hinweise in die andere Richtung, also dass Schizophrenie häufig zu Cannabiskonsum führen kann, waren in der Studie jedoch stärker.
Die Vermutung, dass eine entstehende Schizophrenie das Risiko von Cannabiskonsum steigern kann, ist nicht neu
Es wurde oft spekuliert, dass möglicherweise „Vorläufersymptome“, d.h. der eigentlichen Schizophrenie vorangehenden Symptome (sog. Prodrome) die Betroffenen zur Einnahme von Cannabis, z.B. als eine Form der Selbstmedikation, veranlassen.
In der Prodromalphase treten eher allgemeine Beschwerden auf, die sich in den meisten Fällen nicht klar einem bestimmten Krankheitsbild zuordnen lassen. Die Dauer der Prodromalphase bei Schizophrenie wird in der Literatur mit ca. fünf Jahren angegeben. Kommt ein Betroffener im Verlauf oder am Ende dieser Phase dann in ärztliche Behandlung, so ist im Nachhinein nur schwer nachvollziehbar, ob der Cannabiskonsum Ursache oder Folge der Beschwerden ist.
In der Studie wurde außerdem ein positiver Zusammenhang von Cannabiskonsum mit anderen Merkmalen gefunden
So ist unter Cannabiskonsumenten die Wahrscheinlichkeit höher, auch andere Substanzen zu verwenden oder davon abhängig zu sein (Rauchen, Alkohol). Cannabiskonsumenten leiden auch häufiger an ADHS als Nicht-Konsumenten. Zudem zeigen sie erhöhte Risikobereitschaft, aber auch größere generelle Offenheit.
Interessanterweise fand sich auch ein positiver Zusammenhang zwischen Cannabiskonsum und dem Bildungsniveau, der Fähigkeit komplexe Probleme zu lösen, abstraktem Denken und Lernfähigkeit (sog. fluide Intelligenz) bzw. einem höheren Haushaltseinkommen. Die Autoren vermuten, dass in einem Umfeld mit höherem sozioökonomischen Status Cannabiskonsum häufiger anzutreffen sein könnte.
Fazit
Trotz einer stärkeren kausalen Korrelation zwischen Schizophrenie und Cannabiskonsum (anstelle von Cannabiskonsum als Ursache für Schizophrenie) liefert auch diese Untersuchung keine eindeutigen Beweise. Zwar ermöglichte die Größe der untersuchten Population, neue Verknüpfungen zwischen Cannabiskonsum und anderen Verhaltensmustern zu identifizieren oder bestehende Vermutungen zu stützen, doch besitzt die Studie auch Schwächen.
So ist besonders die nur als schwach gefundene Verknüpfung zwischen Cannabiskonsum und Schizophrenie mit Vorsicht zu betrachten, da die Gruppe der Cannabisnutzer sehr inhomogen war. So wurden Nutzer, die jemals Cannabis probiert hatten mit regelmäßigen und starken Konsumenten zusammen ausgewertet. Auch fand keine Unterscheidung zwischen Cannabispatienten oder Freizeitkonsumenten statt.
Spezieller Dank der Leafly.de Redaktion an den Co-Autoren dieses Artikels: Tim Dresemann
Quellen: