Die Regierung der Schweiz will die Anwendung von Cannabis als Medizin erleichtern. Darüber hinaus soll es Pilotversuche zur kontrollierten Abgabe von Cannabis geben, die den Freizeit-Konsum vereinfachen würden.
Leichterer Zugang zu Cannabis als Medizin in der Schweiz
Bisher benötigten Patienten eine Ausnahmebewilligung vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) für Cannabis als Medizin. Jetzt beschloss die Schweizer Regierung, diese Genehmigung abzuschaffen. Dazu werde eine Gesetzesänderung vorbereitet. Ob dann auch die Krankenkassen die Kosten der Cannabis-Therapie übernehmen, ist noch nicht beschlossen.
In der Schweiz wurden im letzten Jahr rund 3.000 Patientinnen und Patienten – vor allem ältere Menschen mit chronischen Schmerzen und unheilbaren Krankheiten wie Multiple Sklerose oder Krebs – mit Cannabis als Medizin behandelt.
Cannabis könne Schmerzen, Übelkeit, Krämpfe oder Schwindel der Betroffenen lindern, wenn sonst keine Medikamente mehr wirkten, erklärte Gesundheitsminister Alain Berset vor wenigen Tagen. Doch das Bewilligungsverfahren sei langwierig und verzögere den Behandlungsstart.
Der Bundesrat, die Schweizer Regierung, will daher die Gesetzgebung in puncto Cannabis als Medizin anpassen: Das Verbot, medizinisches Cannabis in den Verkehr zu bringen, wird aufgehoben. Damit wäre eine Ausnahmebewilligung in Zukunft nicht mehr nötig. Die neue gesetzliche Regelung soll bis zum Sommer 2019 vorliegen.
Außerdem soll das BAG eine Rückerstattung der Behandlungskosten durch die Krankenversicherung prüfen. Das medizinische und therapeutische Potenzial sei zwar seit mehreren Jahren bekannt, sagte Gesundheitsminister Berset. Doch wissenschaftlich sei die Wirkung von Cannabis noch ungenügend belegt. Klinische Studien fehlten, was eine Bedingung für die Kostenübernahme wäre.
Cannabis-Pilotversuche in Sicht
Der Cannabis-Konsum ist in der Schweiz grundsätzlich verboten und strafbar. Dennoch gehe die Zahl der Konsumenten und Konsumentinnen nicht zurück, sagte Gesundheitsminister Alain Berset kürzlich vor den Medien. Rund drei Prozent der Bevölkerung oder 200.000 Personen konsumierten mindestens einmal pro Monat Cannabis. Gleichzeitig floriere der Schwarzmarkt. Die Sicherheit der Cannabis-Konsumentinnen und -Konsumenten sei nicht gewährleistet, weil die Qualitätskontrollen fehlten.
Deshalb setzen sich mehrere Städte und Kantone für eine kontrollierte Cannabis-Abgabe ein. Im Rahmen von wissenschaftlichen Studien wollen sie testen, ob es Sinn macht, den Cannabis-Konsum komplett zu erlauben. Damit würde man mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen können: Den Cannabishandel aus dem Drogenmilieu holen, den Schwarzmarkt austrocknen, die Konsumenten entkriminalisieren und die Prävention verbessern.
Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) lehnte die Gesuche jedoch ab. Begründung: Für solche Studien und die kontrollierte Cannabis-Abgabe gebe es keine Rechtsgrundlage. Dieses Hindernis will die Regierung mit einem neuen Artikel im Betäubungsmittelgesetz nun ausräumen. Die Gesetzgebung (die sogenannte „Vernehmlassung“ im politischen System der Schweiz) dauert bis zum 25. Oktober.
Der Ständerat hat dem Pilotprojekt zu den Studien mit Cannabis bereits zugestimmt, der Nationalrat allerdings stimmte mit drei Stimmen Mehrheit dagegen. Zum Hintergrund: Der Nationalrat ist zwar die große Kammer und der Ständerat die kleine Kammer, die die Kantone vertritt, jedoch sind beide Kammern gleichberechtigt.
Worum geht es bei den Cannabis-Studien?
Mit dem Pilotprojekt würde Cannabis nicht legal werden. Es dreht sich allein um wissenschaftliche Studien. Die Abgabe von Cannabis ist weiterhin nur zu medizinischen Zwecken erlaubt. Selbst Politiker, die sich für die Cannabis-Pilotversuche einsetzen, betonen:
„Es geht hier ausdrücklich nicht um eine Liberalisierungs- oder Legalisierungsdebatte, sondern lediglich um die Möglichkeit, eine Experimentierphase zu absolvieren.“
Die Pilotversuche sollen Erkenntnisse zu den Auswirkungen der Drogen auf die Gesundheit der Konsumentinnen, das Konsumverhalten, den Drogenmarkt, den Jugendschutz und die öffentliche Sicherheit liefern. Die Versuche müssen auf eine oder mehrere Gemeinden begrenzt sein, die Teilnehmerzahl darf 5.000 Personen nicht überschreiten und für Minderjährige ist der Pilotversuch tabu. Außerdem dürfen nur Personen teilnehmen, die nachweislich bereits Cannabis konsumieren und ihren Wohnsitz in der entsprechenden Gemeinde haben.
Laut Bundesamt für Gesundheit besteht ein „gesundheitspolitisches Anliegen, mit solchen Studien neue Formen des gesellschaftlichen Umgangs mit Cannabis zu erforschen“. Es sei zu begrüßen, neue Regulierungsmodelle wissenschaftlich analysieren zu können, erklärte das BAG. Die Städte Biel, Luzern, Zürich, Basel, St. Gallen, Bern, Winterthur und Genf signalisierten bereits Interesse an einem Pilotprojekt zur regulierten Abgabe von Cannabis.
Der Stadtrat St. Gallen geht sowieso davon aus, „dass es eine Frage der Zeit ist, bis auch THC-haltiges Cannabis legal sein wird“.
Quellen: