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Schweizer Apotheker wollen Cannabis verkaufen

Leafly: Alexandra Latour Autor:
Alexandra Latour

Der Schweizer Apothekerverband der Stadt Zürich plant, in seinen Läden Cannabis zu verkaufen und will damit dem Schwarzmarkt den Kampf ansagen. Während einige Stellen dies befürworten, sehen andere diesen Plan eher skeptisch.

Schweizer Apotheker wollen Cannabis verkaufen

In einem Medienbericht heißt es, dass sich die Inhaberin der Schweizer Morgen-Apotheke und Präsidentin des Apothekennetzes Zürich namens Valeria Dora intensiv mit dem Thema Cannabis auseinandergesetzt hat.

„Wir können die Augen vor der Realität nicht verschließe“, führt sie aus und erklärt, dass „Cannabis mitten in der Gesellschaft angekommen“ sei. Schätzungen zufolge haben rund 40 Prozent der Schweizer sowie fast ein Drittel der Schweizer Frauen schon einem in ihrem Leben Cannabis konsumiert. Auch die Apothekerin Valeria Dora gab zu, es schon einmal ausprobiert zu haben. „Allerdings bloß zwei Mal und rein zu Forschungszwecken“, erklärte sie mit einem Lächeln.

In der gesamten Schweiz soll es aktuell Bestrebungen geben, Cannabis unter bestimmten Auflagen zu legalisieren. Ab dem Jahr 2020 finden in Zürich Pilotversuche mit einer wissenschaftlichen Begleitung statt. Dora und der Schweizer Apothekerverband wollen zukünftig Cannabisprodukte in ihrem Sortiment aufnehmen. Es gebe nur wenige kritische Stimmen, so Dora.

Schweizer machen sich für die Regulierung von Cannabis stark

Der Stadtverband hat dem Bericht zufolge ein Positionspapier verabschiedet, in dem er sich für die Regulierung von Cannabis ausspricht. Neben der von den Apotheken geforderten Entkriminalisierung der medizinischen Verwendung von Cannabis, soll dies auch für den Freizeitkonsum umgesetzt werden. Dabei argumentiert der Verband:

„Nur durch eine regulierte Abgabe könne der Schwarzmarkt effektiv bekämpft und die Verbindung zu harten Drogen via Dealer gekappt werden. Eine schrankenlose Liberalisierung, wie sie in einzelnen amerikanischen Gliedstaaten zu beobachten ist, kommt für die Zürcher Apotheker aber nicht infrage.“

Erwachsenen Cannabiskonsumenten ab 18 Jahren sollen zukünftig „Arzneidrogen in pharmazeutischer Qualität“, ohne Streckmittel und Verunreinigungen zur Verfügung gestellt werden. Das Fachpersonal soll zudem einen „problematischen Konsum“ erkennen und eindämmen können. So seien die Apotheker dank ihres Fachwissens dazu geeignet, die Cannabisabgabe in einem regulierten Markt zu übernehmen, so Dora. Weiter führte Dora aus, dass auch Schulungen erforderlich seien, um dies umzusetzen. Hingegen hält sie die Cannabisabgabe in Coffeeshops oder Geschäften für nicht zielführend.

Einstufung von Cannabis als Arzneimittel

Der Schweizer Apothekerverband sieht vor, dass es zukünftig in den Züricher Apotheken drei bis fünf unterschiedliche Cannabisvarietäten mit jeweils unterschiedlich hohen THC- und CBD-Konzentrationen geben soll. Zudem solle Cannabis als Arzneimittel eingestuft werden. Das gelte auch für Cannabisprodukte mit einem THC-Gehalt von unter einem Prozent. (In der Schweiz gelten Cannabisprodukte mit unter einem Prozent THC als Lebensmittel und dürfen frei verkauft werden.)

„So hätten wir klare Verhältnisse. Die Wirkstoffe müssten auf einem Beipackzettel deklariert werden, und Werbung dafür wäre verboten. Wir dürfen den Konsum auf keinen Fall verharmlosen oder propagieren“, führte Dora aus.

Darüber hinaus erklärte Dora, dass Cannabiskonsumenten in der Apotheke eine Beratung in Anspruch nehmen könnten. Beispielsweise könnten die Apotheker raten, Cannabis nicht mit Tabak zu rauchen, sondern einen Vaporisator zu nutzen. Für Fragen könne dann eine „Cannabis-Helpline“ eingerichtet werden. Außerdem soll Präventionsarbeit in Schulden durchgeführt werden. Denn der Cannabiskonsum könne bei Jugendlichen problematisch sein.

Zusammenarbeit mit der Stadt Zürich

Die Schweizer Apothekerin Dora plant, das weitere Vorgehen mit den entsprechenden Fachstellen der Stadt Zürich abzusprechen.

“Wir wurden mit offenen Armen empfangen“ führte Dora aus. Das Schweizer Gesundheitsdepartement stehe ihren Angaben nach einer Regulierung des Cannabismarkts seit längerem offen gegenüber. Hieran hätte der Wechsel der Vorsteherschaft nach den Wahlen von Claudia Nielsen zu Andreas Hauri nichts verändert.

„Die Haltung von Stadtrat Hauri in dieser Frage ist liberal. Die politische Debatte ist dringend überfällig“, erklärte Hauris Mediensprecherin.

Hauri will vor allem Antworten auf noch ungeklärte gesellschaftliche und gesundheitliche Fragen rund um die regulierte Cannabisabgabe finden. Das hätten auch die Modellprojekte ab dem Jahr 2020 zum Ziel. Vorher müssten jedoch auf der Bundesebene noch einige Weichen gestellt werden, heißt es in den Medien. So müsste unter anderem „der Ständerat über einen Experimentierartikel im Betäubungsmittelgesetz befinden“.

Altruismus oder guter Geschäftssinn?

Angesichts der Bestrebungen der Schweizer Apotheker fragt man sich natürlich: Warum machen die das? Schätzungen zufolge macht der illegale Schweizer Cannabis-Schwarzmarkt einen Jahresumsatz von mindestens 600 Millionen Franken (ca. 5,2 Millionen Euro). Sich hiervon ein Stück abzuschneiden, ist natürlich verlockend.

Doch den Schweizer Apotheken gehe es dem Bericht zufolge nicht um eine neue Einnahmequelle. Hierzu äußerte sich auch Daniel Schöneberger, Geschäftsführer der Apotheke Limmatplatz. Dieser setzt sich ebenso für die Regulierung des „aus dem Ruder gelaufenen Cannabismarktes“ ein. Gemeinsam mit anderen Apothekern hat Schöneberger den Fachzirkel „Cannabis Schweiz“ gegründet. Das Angebot enthält unter anderem praxisorientierte Schulungen und Seminare.

“Der Konsum ist da. Wir wollen dafür sorgen, dass er in Zukunft weniger schädlich ist“, erklärte Schöneberger.

In der Schweiz kostet ein Gramm Cannabis auf dem Schwarzmarkt ungefähr 12 Franken (ca. 10,50 Euro). Hierzu führte Schöneberger aus, dass die Preise in einem regulierten Cannabismarkt nicht höher sein dürften. Außerdem betonte er, dass keine große Marge für Schweizer Apotheker übrig bleibe, wenn noch Steuern sowie Abgaben an die Produzenten hinzukämen.

„Ums große Geldverdienen geht es uns sicher nicht“, betonten Schöneberger.

Wie kam es zu dem Wandel in der Schweizer Apothekerschaft?

Schöneberger erklärte weiter, dass das Thema Cannabis gesellschaftlich diskutiert werden müsse und dass es in der Apothekerschaft in den vergangenen Jahren zu einem Mentalitätswandel gekommen sei. Früher kamen noch Aussagen wie „Ich bin doch kein Drogendealer“. Heute sei dies anders und er beobachte keine große Abwehrhaltung mehr.

Unterstützt wird die Apothekerschaft auch von dem Drogenexperten Michael Herzig (ehemaliger Drogenbeauftragte der Stadt Zürich).

“Für eine kontrollierte Cannabis-Abgabe sind Apotheken gut geeignet. Die nötige Infrastruktur und geschulte Mitarbeiter seien bereits vorhanden“, führte Herzig aus.

Darüber hinaus könnten Apotheker für die Qualität von Cannabis garantieren, was auf dem Schwarzmarkt nicht gegeben sei. Laut Herzig würden in der Schweiz Repressionskosten von bis zu einer Milliarde Franken jährlich wegfallen. Außerdem könne auf Cannabis eine Steuer erhoben werden. Möglich wäre auch, die Schweizer Bauern als potenzielle Produzenten anzusprechen. Diese seien aber laut Herzig noch nicht so weit.

Nationale Dachorganisation spricht sich gegen die Regulierung aus

Die nationale Dachorganisation teilt nicht die Meinung der Apothekerschaft. So teilte Pharma-Suisse aus, dass man lediglich die kontrollierte Cannabisabgabe zu medizinischen Zwecken unterstütze. Dass Apotheken aber ein Ort für die legale Abgabe zu Freizeitzwecken werden soll, halte man nicht für sinnvoll. Dennoch seien Modellprojekte, die in Zürich und Bern angedacht sind, zu begrüßen.

Wie sieht die Politik die Regulierung?

Die konservativen Parteien in der Schweiz sind gegenüber jeglicher Form einer Drogen-Liberalisierung skeptisch gegenüber. Erst vor kurzem haben sich im Züricher Kantonsparlament die Parteien SVP, EDU und BDP gegen die angedachten Modellprojekte ausgesprochen. Hingegen sieht dies die Stadtzürcher FDP wohl anders.

„Wir brauchen eine andere Drogenpolitik als heute“, führte Severin Pflüger, Präsident der Stadtzürcher FDP aus.

Weiter führte er aus, dass der Schwarzmarkt große Nachteile berge, und spricht hier unter anderem verunreinigte Drogen an, die gesundheitliche Risiken haben können. Damit würde der Schweizer Staat mit hohen Gesundheits- und Sozialkosten belastet. Noch höher wären die Repressionskosten der Strafverfolgungsbehörden.

“Langfristig werden wir nicht um eine regulierte Liberalisierung herumkommen“, so Pflüger.

Dabei bezieht sich Pflüger nicht nur auf Cannabis, sondern auch auf Drogen wie Heroin und Kokain. Idealerweise sollten diese von Schweizer Produzenten hergestellt sowie vom Staat kontrolliert werden. Allerdings wolle er eine Monopolstellung der Apotheken verhindern und schlägt vor, die Drogen auch in anderen geeigneten Einrichtungen zu verkaufen.

Um eine „zeitgemäße Drogenpolitik“ formulieren zu können, haben die Stadtzürcher Freisinnigen jetzt eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen.

 

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