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Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Cannabis-Arzt

Gesa-2019 Autor:
Gesa Riedewald

Vor einigen Wochen fand bei dem Cannabis-Arzt Rolf Müller aus München eine Hausdurchsuchung statt. Jetzt steht fest: Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts des gewerbsmäßigen unerlaubten Verschreibens von Betäubungsmitteln. Leafly.de hat mit einem ehemaligen Patienten von Rolf Müller gesprochen, der von den ungewöhnlichen Abläufen in der Praxis erzählt.

Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Cannabis-Arzt

Vor einigen Tagen berichteten wir von Leafly.de, dass bei dem bekannten Cannabis-Arzt Rolf Müller aus München eine Hausdurchsuchung stattgefunden hat und dort auch Patientenakten beschlagnahmt wurden. Inzwischen liegen uns nähere Informationen der Staatsanwaltschaft München vor. Diese zeigen, dass gegen Müller „wegen des Verdachts des gewerbsmäßigen unerlaubten Verschreibens von Betäubungsmitteln“ ermittelt wird. Die Untersuchungen laufen bereits seit März 2018.

Staatsanwaltschaft: Müller soll sich durch Cannabis-Rezepte bereichert haben

Die Staatsanwaltschaft wirft dem Privatarzt Rolf Müller vor, dass er sich durch das Ausstellen von Cannabis-Rezepten im großen Stil bereichert habe. Darüber hinaus habe der Arzt die Rezepte unbegründet verordnet:

„Dem Verfahren liegt der Sachverhalt zugrunde, dass der Beschuldigte, welcher Arzt ist, in einer Vielzahl von Fällen medizinisches Cannabis ohne ärztliche Begründetheit an Patienten verschrieb. So verschrieb er an einem Tag im Stadtgebiet München 85 Patienten unerlaubt medizinisches Cannabis, an einem anderen Tag verschrieb der Beschuldigte mindestens  80 Patienten unerlaubt medizinisches Cannabis. Der Beschuldigte handelte unserer rechtlichen Auffassung nach in der Absicht, sich hierdurch eine Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen.“

Ermittlungen wegen unerlaubten Waffenbesitzes durch Staatsanwaltschaft

Die Anklagebehörde hat nicht nur die Praxisräume von Rolf Müller durchsucht, sondern auch seine Privatadresse. Dort haben die Beamten zwei Schusswaffen sichergestellt. Da der Arzt keinen Waffenschein besitzt, wird auch aus diesem Grund ermittelt.

Dass Ärzte sich durch ihre Arbeit eine „Einnahmequelle verschaffen“ möchten, ist nicht weiter erstaunlich. Das ist meistens der Grund, wieso wir Berufe ausüben. Ob die Cannabis-Rezepte aber tatsächlich „unerlaubt“ und „unbegründet“ verschrieben wurden, müssen die weiteren Ermittlungen ans Licht bringen. Zurzeit werden Zeugen vernommen.

Leafly.de hat bei Rolf Müller nachgefragt

Herr Müller sprach gestern Abend in einem langen Telefonat mit uns und stellte heute die nachfolgende Stellungnahme online, die wir hier unverändert und vollständig wiedergeben:

Stellungnahme

Die Verschreibung von Cannabis erfolgte nach strengen Vorgaben, niemals ungerechtfertigt, die Vorraussetzungen für eine Cannabismedikation sind detailliert auf der Website aufgelistet.

Herr Müller hielt steten Kontakt mit dem für Ihn zuständigen Münchener Referat für Umwelt und Gesundheit und legte stets Wert auf die Erfüllung aller Vorgaben.

Die Vorwürfe von 80-85 Verschreibungen an einem Tag sind völlig unrealistisch: Bei Erstanamnese (Dauer 30min) wären bei einem 10 Stunden Tag gerade mal 20 Rezepte möglich. Bei Folgerezepten (Dauer 15min) 40 Stück. Laut dem Vorwurf müssten daher im 7,5 Minuten Takt Folgerezepte ausgestellt worden sein, dies war jedoch nie der Fall und ist schlichtweg frei erfunden, was sich im Laufe des Verfahrens herausstellen wird.

Herr Müller wurde von einem ehemaligen Mitarbeiter angezeigt, welcher zuvor das Praxisteam und Herr Müller bedrohte und schließlich Herr Müller, unter Drohung mit einer Anklage, zur Zahlung von nicht vereinbarten Leistungen erpressen wollte. Dieser Mitarbeiter instrumentalisierte die Polizei um seine Forderung gegenüber Herr Müller durchzusetzen, wir werden dagegen gerichtlich vorgehen.

Die Beschlagnahmung aller Akten stellt einen Bruch des Patientengeheimnisses dar, nach Absprache mit unseren Anwälten ziehen wir eine Sammelklage in betracht.

Die bei Durchsuchung von Herr Müllers Privaträumen sichergestellten Schusswaffen sind Erbstücke von Herr Müllers Vater.

Der sichergestellte Teleskopschlagstock ist legal in DE, dessen Beschlagnahmung war daher überflüssig und rechtswidrig.

Das in der Praxis sichergestellte Marihuana war eine Probe CBD Cannabis, welches in Deutschland frei verkäuflich ist.

Was bedeutet das für die Patienten?

Patienten haben nichts zu befürchten und können weiterhin behandelt werden.

Falls die Patienten gefälschten Befunde vorgelegt haben, wird dies im Zuge der Prüfung auffallen und diese Patienten haben zurecht Konsequenzen zu befürchten.

Jeder Patient musste jedoch beim Ersttermin unterschreiben das die vorgelegten Dokumente echt sind und sie sich bei einem Täuschungsversuch strafbar machen.

Die weitere Betreuung der Patienten wird durch angestellte Ärzte erfolgen, falls Herr Müller im Laufe des Verfahrens die Approbation entzogen wird.

Preispolitik

Wir haben wiederholt Beschwerden über zu hohe Preise erhalten und möchten uns auch hierzu äußern. Die Kosten für eine Cannabis Behandlung sind leider bereits durch den unverschämt hohen Preis der Präparate für viele Patienten nicht finanzierbar, die Preise für eine Behandlung in der Praxis sind daher so gering wie möglich angesetzt worden um die Praxis weiterführen zu können.

150 Euro Erstanamese: Die Preise für eine Erstanamese bei Münchener Privatärzten liegen zwischen 150-450€,150€ sind die untere Grenze, dieser Betrag ist einmalig zu entrichten.

60 Euro für ein Folgerezept erscheinen zunächst hoch, jedoch fallen hohe laufende Kosten an, welche gedeckt werden müssen, uA:

  • Kosten für Praxisräume in der Münchener Innenstadt
  • Kosten für Praxispersonal
  • Kosten für Web Auftritt
  • Kosten für Umsetzung von Auflagen vom Amt
  • Kosten für Anwälte (Arbeits-, Straf- und Medizinrechtler)
  • Stetige Telefonische Erreichbarkeit für Patienten und Behörden
  • Kosten für Gerichtsbesuche / Vorladungen bei Verfahren gegen Patienten + Reisekosten
  • Kosten für Umzug der Privat- und Praxisräume

Viele verzweifelte Patienten suchen Hilfe beim Cannabis-Arzt

Kamon Anand (Anm. d. Red. Name geändert) ist ein ehemaliger Patient von Rolf Müller. Der Mann stammt ursprünglich aus Thailand und hat dort auch lange gelebt. Vor gut fünf Jahren ist Anand zurück nach Deutschland gekommen. Zuvor hat er einen schweren Verkehrsunfall erlitten, bei dem er mehrere Frakturen an Beinen und Hüfte davon trug. Der Bruder von Anand ist bei dem tragischen Unfall ums Leben gekommen. Seitdem leidet der Mann an chronischen Schmerzen, einer posttraumatischen Belastungsstörung und einer somatoformen Schmerzstörung – also Schmerzen, die nicht durch den medizinischen Zustand des Patienten ausreichend erklärbar sind.

Der austherapierte Schmerzpatient hat Krankenunterlagen der Unfallchirurgie Nürnberg wie auch der NeuroPraxis Fürth, die ihm die weitere Cannabis-Therapie empfehlen. Verschreiben können oder wollen sie Kamon Anand allerdings kein Medizinalhanf. Ihm geht es wie vielen Betroffenen – er findet einfach keinen Arzt, der ihm Cannabis auf Rezept verschreibt. So ist der Privatarzt Müller am Ende die Rettung.

Patient: Müller arbeite unprofessionell, wolle aber helfen

Der Kassenpatient Anand hat von dem Cannabis-Arzt Rolf Müller gehört, der Medizinalhanf auf Privatrezept verordnet. Rund 9 Monate war der Schmerzpatient bei Müller in Behandlung. Als „konfus“ und „unprofessionell“ bewertet der ehemalige Patient den Arzt. Aber er betont auch, dass Rolf Müller sich für die Patienten einsetzt:

„Er ist ein guter Mensch, der den Patienten helfen will. Natürlich ist die Cannabis-Therapie für ihn ein Geschäftszweig – und ein lukrativer. Aber ich kann das auch verstehen. Das Problem ist doch vielmehr, dass kein Kassenarzt sich traut oder bereit ist, Cannabis zu verschreiben, und dass die Krankenkassen durch ihr Verhalten diese Medizin den Patienten vorenthalten.“

Der Schmerzpatient berichtet von sonderbaren Szenen, die sich in den Praxisräumen von Rolf Müller abgespielt haben: Der Arzt spricht mit mehreren Patienten in großer Runde an einem Tisch, verteilt dann die Cannabis-Rezepte. Nicht selten kommt es vor, dass persönliche Unterlagen verloren gehen oder über Dritte weitergereicht werden. Besonders anrüchig wirken die Treffen in Hotelzimmern, bei denen Rolf Müller an einem Abend 50 bis 100 Patienten empfängt und Cannabis-Rezepte und Patientenausweise verteilt.

Ob der Cannabis-Arzt denn für seine Leistung private Rechnungen schreibt, fragen wir Anand. „Die Cannabis-Rezepte kosten 150 Euro im Quartal. Die Patienten legen das Geld bar auf den Tisch und bekommen dafür das Rezept, ohne Quittung oder Rechnung. Wer nachfragt, bekommt sicherlich auch eine Rechnung. Ich habe nie nachgefragt, denn ich brauchte keine.“

Wir von Leafly.de werden weiter über diese Sache berichten. 

 

 

Hinweis: In diesem Artikel berichten wir über rezeptpflichtiges CBD oder auch Cannabidiol. Dieser Artikel macht zur möglichen Zweckbestimmung keinerlei Vorschlag. Nutzversprechen bleiben den Apothekern überlassen.

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