Dieses Jahr gab es bereits zwei Veröffentlichungen von Studien, die sich mit dem Thema Cannabiskonsum und Psychose beschäftigt haben. Während spanische Forscher in ihrer Studie keinen Zusammenhang feststellen konnten, warnen britische Forscher eindringlich in ihrer Studie vor dem Cannabiskonsum für Freizeitzwecke.
Cannabis ist die Substanz, die von Patienten mit psychotischen Erkrankungen, z.B. Schizophrenie, oder einem erhöhten Risiko für solche Erkrankungen am häufigsten eingenommen wird. Längsschnittstudien assoziieren den Cannabiskonsum mit einem signifikant erhöhten Risiko für psychotische Erkrankungen. Eine Meta-Analyse fand daneben einen positiven Dosis-abhängigen Zusammenhang zwischen Cannabiskonsum und einem erhöhten Risiko für Schizophrenie.
Trotz dieser Erkenntnisse weiß man bisher wenig über die Auswirkungen von Cannabis auf die Neurochemie des Gehirns im Allgemeinen, und im Besonderen auf die Neurotransmission von Dopamin. Für das Verständnis, welche Auswirkungen Cannabiskonsum bei Risikopatienten für Psychosen hat, ist dieses Wissen jedoch wichtig, denn Schizophrenie geht mit einer gestörten Dopaminsynthese und -ausschüttung in striatalen Gehirnregionen einher.
Personen mit einem erhöhten Risiko für psychotische Erkrankungen zeigen eine höhere Dopaminantwort auf Stress als gesunde Personen. Bei chronischen Cannabiskonsumenten mit Psychoserisiko schwächt sich die Dopaminantwort ab.
Dopaminausschüttung im Gehirn bei Cannabiskonsum
Eine neue Studie hat sich die Auswirkungen von Cannabiskonsum auf die Dopaminausschüttung in unterschiedlichen Teilen des präfrontalen Cortex bei Personen mit hohem Risiko für psychotische Erkrankungen angesehen. Der präfrontale Cortex hat wichtige Funktionen beim Planen, Kontrollieren und der Anpassung des Verhaltens an sich ändernde Umweltbedingungen. Der mediale präfrontale Cortex ist in emotionale Prozesse involviert, der dorsolaterale präfrontale Cortex reguliert kognitive Anforderungen.
Ein Teil der Studienteilnehmer konsumierte regelmäßig Cannabis, ein anderer Teil trug das hohe Krankheitsrisiko, konsumierte aber kein Cannabis. In beiden Gruppen wurde eine PET-Aufnahme gemacht, während die Teilnehmer Kontrollaufgaben lösten, und eine Aufnahme während sie bei diesen Aufgaben unter Druck gesetzt wurden (Stress-Test). Die Dopaminausschüttung war im Kontrollversuch in beiden Gruppen und den beiden untersuchten Regionen des präfrontalen Cortex gleich. Beim Stresstest hingegen zeigten sich signifikante Unterschiede. Die Patientengruppe, die Cannabis konsumierte, zeigte eine niedrigere stressinduzierte Dopaminausschüttung im medialen präfrontalen Cortex als die andere Gruppe. Neben der Dopaminausschüttung wurde die Kortisolproduktion im Speichel gemessen. Dort zeigte sich dasselbe Bild: Die Cannabiskonsumenten hatten eine signifikant niedrigere Kortisolmenge im Speichel. Die Wissenschaftler fanden eine positive Korrelation zwischen der Dopaminausschüttung und der Kortisolmenge.
Bei Cannabiskonsumenten mehr Vorstadien von Psychosen
Außer den neurochemischen Unterschieden zwischen Cannabiskonsumenten mit hohem Psychoserisiko und Risikopatienten ohne Cannabiskonsum zeigten sich auch Unterschiede in den so genannten attenuierten (unterschwelligen) psychotischen Symptomen. Bei Cannabisnutzern waren diese erhöht. Die attenuierten psychotischen Symptome beschreiben Vorstadien von Wahn, Hallizinationen oder Ich-Störungen. Dass Risikopatienten, die Cannabis konsumieren, von solchen Vorstadien vermehrt betroffen sind, ist eine wichtige Erkenntnis. Denn eine Psychose tritt auch beim Vorhandensein von Risikofaktoren in der Regel erst auf, wenn auf die Person zusätzliche Stressoren einwirken. Das können aufwühlende oder belastende Lebensumstände ebenso sein, wie Änderungen des hormonellen Gleichgewichts. Auch verschiedene Drogen und Substanzen wie Cannabis stehen im Verdacht, als Auslöser fungieren zu können.
Die Ergebnisse dieser Untersuchung sind ein weiteres wichtiges Puzzleteil zum Verständnis der Entstehung von Psychosen. Von Bedeutung sind die Ergebnisse auch deswegen, weil Cannabis im Zuge der Legalisierung in einigen Ländern im Freizeitkonsum und für medizinische Fragestellungen mehr Personen und damit auch Risikopatienten für psychotische Erkrankungen leichter zugänglich wird. Besonders wichtig ist das erhöhte Risiko bei gefährdeten Jugendlichen.
„Der regelmäßige Cannabiskonsum hat einen tiefgreifenden Einfluss auf die kortikale Dopaminfunktion, besonders unter Stress. Für junge Erwachsene, die ein erhöhtes Risiko für Psychosen haben, ist das entscheidend“, sagte Senior-Autorin Romina Mizrahi, MD, PhD, vom Centre for Addiction and Mental Health, in Toronto.
Die Auswirkungen von Cannabis auf die Neurochemie des Gehirns sind auch trotz dieser Untersuchung noch nicht ausreichend erforscht. Die Ergebnisse deuten aber stark darauf hin, dass Cannabis für bestimmte Risikogruppen eine Gefahr darstellt.