Der synthetische Cannabis-Wirkstoff Dronabinol zeigt in einer ersten Multi-Center-Studie positive Ergebnisse bei der Behandlung von obstruktiver Schlafapnoe. Die Studie wurde von Forschern der Northwestern University und der University of Ilinois in Chicago (UIC) durchgeführt und in der Fachzeitschrift SLEEP veröffentlicht. Laut der Wissenschaftler sei der Wirkstoff Dronabinol sicher und effektiv für die Therapie der obstruktiven Schlafapnoe.
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Schlafapnoe: Was ist das?
Schlafapnoe ist eine schlafbezogene Atmungsstörung (SBAS). Bei den Betroffenen kommt es zu nächtlichen Atemaussetzern (Atemstillstand, Apnoen), die von 10 Sekunden bis zu wenigen Minuten dauern können und mehrmals pro Stunde auftreten. Neue Studien zeigen, dass 9 % der Männer und 4 % der Frauen am Schlafapnoesyndrom leiden.
Die Atemaussetzer in der Nacht führen zu einer verringerten Sauerstoffversorgung und damit einhergehend einem Anstieg des Kohlendioxidgehalts im Blut. Dadurch kommt es zu einem unruhigen Schlaf. Denn als Alarmreaktion des Körpers auf die verringerte Sauerstoffversorgung wachen die Betroffenen in der Nacht auf. Dies ist aber meist kein bewusstes Aufwachen und wird vom Schlafenden auch nicht wahrgenommen. Die Folge des unruhigen Schlafs ist eine starke Tagesmüdigkeit.
Meist geht die Schlafstörung mit regelmäßigem Schnarchen oder unregelmäßigem Schnarchen einher. Auf das regelmäßige Ein- und Ausatmen folgt eine Pause – das Aussetzen der Atmung. Kurz darauf atmet der Schlafende mit einem lauten Schnarcher wieder ein. Schnarchen ist allerdings nicht zwangsläufig ein Schlafapnoesymptom.
Häufige Symptome des Schlafapnoesyndroms sind:
- morgendliche Kopfschmerzen
- ausgeprägte Tagesmüdigkeit, evtl. mit Sekundenschlaf
- lautes Schnarchen mit Atempausen
- Nachtschweiß
Weitere Symptome können sich in Form von einer Verringerung der Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit aufgrund des nicht erholsamen Schlafes zeigen.
Was ist der Unterschied zwischen einer obstruktiven und zentralen Apnoe?
Mediziner unterscheiden zwischen dem obstruktiven-Schlafapnoe-Syndrom und dem zentralen Schlafapnoesyndrom. Dabei ist das obstruktive Schlafapnoesyndrom die häufigere Form. Sie zeichnet sich durch eine mechanische Störung der oberen Atemwege aus. Die Muskeln im Mund und Rachen sind erschlafft, sodass der Befehl des Gehirns, Luft zu holen, nicht umgesetzt werden kann. Das Schnarchen entsteht dabei durch den eingeengten Rachenraum. Da der eigene Widerstand der Muskeln zu hoch für die Luft ist, entsteht eine Atempause.
Das zentrale Schlafapnoesyndrom ist eine schlafbezogene Atmungsstörung, bei der es zu einer Verminderung der Atmungsanstrengung und des Atemstroms kommt. Schlafbezogene Atmungsstörungen ohne Obstruktion sind eine heterogene Gruppe, zu der viele verschiedene Erkrankungen mit den unterschiedlichsten Störungen gehören. Grob unterteilt werden sie in zentrale Schlafapnoesyndrome und schlafbezogene Hypoventilations-Syndrome. Bei beiden kommt es zu einer verringerten Sauerstoffversorgung. Gleichzeitig wird das bei der Atmung entstehende Kohlendioxid nicht schnell genug ausgeatmet.
Das zentrale Schlafapnoesyndrom kommt viel seltener vor als das obstruktive Syndrom. Beide Formen können aber auch in Kombination auftreten.
Die aktuelle U.S. Studie zur Wirkung von Dronabinol beim Schlafapnoesyndrom wurde mit Patienten durchgeführt, die an einem obstruktiven Schlafapnoesyndrom leiden.
Welche gesundheitlichen Auswirkungen hat das Schlafapnoesyndrom?
Da der Nachtschlaf durch das Schlafapnoesyndrom immer wieder unterbrochen wird, fehlen dem Schlafenden die Tiefschlafphasen. Der Körper erhält nicht die Möglichkeit, sich ausreichend zu erholen, sodass die Patienten am nächsten Tag unter Symptomen wie Schläfrigkeit und Schlappheit leiden.
Tagesmüdigkeit verursacht Leistungsdefizite: Die Betroffenen sind weniger konzentriert, die Gedächtnisleistung lässt nach. Extreme Tagesmüdigkeit kann dazu führen, dass der Patient einen Sekundenschlaf erleidet. Infolge dessen besteht ein stark erhöhtes Unfall-Risiko. Damit kann das Schlafapnoesyndrom sogar lebensgefährlich werden.
Auch die Langzeitwirkungen eines nicht behandelten Schlafapnoesyndroms können dramatisch sein. Diese reichen von Bluthochdruck, Herz-Kreislauferkrankungen und Herzrhythmusstörungen über Vorhofflimmern bis hin zu einem Schlaganfall oder Herzinfarkt. Darüber hinaus besteht ein Zusammenhang zwischen Schlafapnoe und malignen Erkrankungen.
Bei einem langhaltenden Schlafapnoesyndrom können sich folgende Symptome zeigen:
- Leistungsschwäche und geringe Konzentrationskraft
- eingeschränkte kognitive Fähigkeiten
- verringerte Potenz und sexuelle Unlust
- Angstzustände, Depressionen
- erhöhtes Unfallrisiko
- Folgekrankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Herzinfarkt oder Schlaganfall
- erhöhtes Risiko maligner Erkrankungen
Wer diagnostiziert Schlafapnoe?
Die Betroffenen bemerken ihre eigenen Atemaussetzer in der Nacht meist nicht. Oft ist es die Partnerin oder der Partner, denen die Atmungsstörung auffällt. Das liegt daran, dass die Partner von Schlafapnoepatienten aufgrund des lauten Schnarchens des Anderen selbst einen unruhigen Schlaf haben.
Bei dem Verdacht auf ein Schlafapnoesyndrom sollte ein Arzt aufgesucht werden, am besten einen Facharzt für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde. Dieser wird nach einer eingehenden körperlichen Untersuchung zur Diagnose den Schlaf mithilfe eines Messgerätes aufzeichnen und analysieren.
Für das Schlafscreening nimmt der Patient ein spezielles Messgerät mit nach Hause. Das Gerät zeichnet Atembewegungen auf, die Sauerstoffsättigung im Blut, die Pulsfrequenz sowie den Atemluftstrom. Die Daten werden dann von einem Spezialisten ausgewertet.
Untersuchung im Schlaflabor
Ist der Befund auffällig, folgt im Rahmen der Diagnose eine weitere Untersuchung im Schlaflabor. Dort gibt es zusätzlich die Möglichkeit, Hirnströme und Herzrhythmus zu messen. Darüber hinaus kann aufgrund der Augenbewegungen analysiert werden, wann sich der Patient in den unterschiedlichen Schlafphasen befindet.
Die Anzahl der Apnoen und Hypopnoen je Stunde Schlafzeit gibt an, um welchen Schweregrad des Schlafapnoesyndroms es sich handelt. Dieser wird mit einem Index (Apnoe-Hypopnoe-Index; kurz AHI) angegeben. Je höher der Index liegt, also je mehr Atempausen pro Stunde auftreten, umso stärker ist die Erkrankung ausgeprägt. Ein AHI größer 5/h gilt als krankhaft. Mediziner stufen ein Schlafapnoesyndrom mit einem AHI größer 15/h und kleiner 30/h als mittelgradig ein.
Was verursacht Schlafapnoe?
Die Ursachen des Schlafapnoesyndroms müssen nach den zwei Formen der Erkrankung unterschieden werden. Heute gehen Wissenschaftler davon aus, dass die obstruktive Schlafapnoe verschiedene Ursachen hat. Eine davon ist eine unzureichende Regulierung der oberen Atemwegsmuskeln durch das Gehirn. Ein wichtiger Risikofaktor ist starkes Übergewicht (Adipositas). Etwa 80 % der Betroffenen sind übergewichtig. Durch das Übergewicht findet auch im Rachen eine Verfettung statt, die zu einer Verengung führt.
Außerdem steigt das Risiko mit dem Alter. Männer zwischen 30 und 60 Jahren sowie Frauen nach den Wechseljahren sind besonders gefährdet. Aber auch angeborene körperliche Eigenschaften wie ein stark zurückliegender Unterkiefer, vergrößerte Rachenmandeln oder eine vergrößerte Zunge kann mitverantwortlich sein.
Risikofaktoren im Überblick:
- Übergewicht
- höheres Alter
- stark zurückliegender Unterkiefer
- krumme Nasenscheidewand
- vergrößerte Zunge
- große Mandeln
- Nasenpolypen
- Schilddrüsenunterfunktion
- Rauchen
Ursachen des zentralen Schlafapnoe-Syndroms
Bei der zentralen Schlafapnoe kommt es trotz offener oberer Atemwege zu einem verminderten oder einem gesteigerten Atemantrieb. Dies wird durch eine Fehlsteuerung im zentralen Nervensystem bzw. im Gehirn verursacht. Ein bekanntes Beispiel eines zentralen Schlafapnoesyndroms ist die Cheyne-Stokes-Atmung, die allerdings eine Sonderform der zentralen Schlafapnoeform darstellt.
Risikofaktoren im Überblick:
- Herzinsuffizienz
- Niereninsuffizienz
- Schlaganfall
- längerfristige Einnahme von Opiaten
- längerer Aufenthalt in großen Höhen
Schlafapnoe: Wie behandeln?
Die Schlafapnoe lässt sich in den seltensten Fällen heilen. Es gibt aber unterschiedliche Therapieansätze, die für die Betroffenen eine große Erleichterung bieten. So kann die ständige Angst vor einem Atemstillstand gelindert werden. Außerdem kann sich durch eine spezielle Therapie die Schlafqualität verbessern, sodass es zu weniger Tagesmüdigkeit kommt. Eine gängige Behandlung ist die CPAP-Therapie, bei der der Patient nachts eine Atemmaske trägt. Diese Maske sorgt für einen Überdruck auf die Atemwege und verhindert, dass sich diese verengen oder verschließen – und wirkt so Atemaussetzern und Atemstillstand entgegen.
CPAP ist sehr effektiv. Viele Patienten empfinden die Atemmaske aber als unangenehm und tragen sie daher nur unregelmäßig oder nur für einige Stunden während der Nacht. Besonders die Eingewöhnungsphase ist schwierig. Wenn diese aber überwunden ist, sind viele zufrieden mit der Atemmaske, die eine deutliche Reduzierung der Schlafstörung bietet.
In bestimmten Fällen ist auch eine Therapie ohne Maske möglich, beispielsweise dank eines Lagerungsgürtels. Bei etwa 35 % der Erkrankten mit leichter bis mittelschwerer Schlafapnoe besteht ein Zusammenhang zwischen Schlafposition und Atemaussetzern in der Nacht. Mit dem Lagerungsgürtel schläft der Patient automatisch in Seitenlage. Bei einem weniger starken Schlafapnoesyndrom kann dies bereits die Schlafstörungen vermindern.
Weitere Therapieoptionen
Möglich ist auch das Tragen einer individuell angefertigten Bissschiene. Diese in einem zahntechnischen Labor gestaltete Schiene verlagert die Zunge oder verhindert ihr Zurückfallen. Schienen haben die beste Aussicht auf Erfolg bei Patienten, die unter einer lageabhängigen Schlafapnoe leiden.
Chirurgische Eingriffe können in einigen Fällen sinnvoll sein. Zum Beispiel dann, wenn der Rachen- oder Halsbereich anatomische Besonderheiten aufweist, wie vergrößerte Mandeln, Polypen oder Fehlbildungen der Nasenscheidewand oder des Kiefers.
Bisher gibt es keine wirksame medikamentöse Behandlung des Schlafapnoesyndroms. Es gibt lediglich Medikamente oder Maßnahmen, die die Symptome der Erkrankung lindern können. Die aktuelle Multi-Center-Studie der Northwestern University und der University of Ilinois in Chicago (UIC) könnte einen Durchbruch auf dem langen Weg zu einem Medikament gegen obstruktive Schlafapnoe bedeuten.
Durchführung der Studie zum Schlafapnoe-Syndrom
An der Studie nahmen 73 Menschen teil, die an mittlerer bis schwerer Schlafapnoe leiden. Sie wurden in drei Gruppen aufgeteilt und nahmen über sechs Wochen an einem Medikamentenversuch teil. Eine Gruppe erhielt vor dem Schlafengehen eine Pille mit 10 Milligramm Dronabinol, die zweite nahm eine Dosis von 2,5 Milligramm ein und die dritte Gruppe erhielt ein Placebo.
Bei der ersten Gruppe kam es im Verlauf der Nacht seltener zu vollständigen Atemaussetzern sowie zu sogenannten Hypopnoen mit extrem flacher Atmung. Darüber hinaus war die subjektive Müdigkeit der Probanden der ersten Gruppe geringer und die Therapiezufriedenheit höher als bei den anderen Teilnehmern.
Studienautor Dr. David Carley von der UIC erklärte, dass es einen enorm hohen Bedarf an wirksamen, neuen Behandlungsmethoden bei einer obstruktiven Schlafapnoe gebe.
Was ist Dronabinol?
Dronabinol ist eine synthetische Variante des in Cannabis enthaltenen Wirkstoffes Delta-9-Tetrahydrocannabinol (Delta-9-THC). Das Rezepturarzneimittel ist seit vielen Jahren in Deutschland verfügbar und wird in Apotheken zur Herstellung von Tropfen oder Weichkapseln verwendet.
Innovativer Ansatz der Studie: Cannabis zielt auf das Gehirn
Die medikamentöse Behandlung der U.S. Studie sei insofern ein neuer Ansatz, als sie auf das Gehirn wirke und nicht auf das physische Problem der Atemwege, erklärt Studienautorin Dr. Phyllis Zee von der Northwestern University. Dies spiegle die aktuelle Überzeugung wider, dass das Schlafapnoe-Syndrom durch mehrere Faktoren verursacht werde. Eine davon sei eine schlechte Regulierung der oberen Atemwegsmuskeln durch das Gehirn, so die Forscherin.
„Das CPAP-Gerät zielt auf das physische Problem, aber nicht auf die Ursache“, erklärt Zee im Sleep Review. „Das Medikament zielt auf das Gehirn und die Nerven ab, die die Muskeln der oberen Atemwege regulieren. Es verändert die Neurotransmitter aus dem Gehirn, die mit den Muskeln kommunizieren. Ein besseres Verständnis davon wird uns helfen, effektivere und individuellere Behandlungen zu entwickeln.“
Die Forscher erklären, dass nun weitere große, klinische Studien notwendig sein werden, um die Cannabistherapie bei obstruktiver Schlafapnoe zu optimieren.
Cannabisforschung: Ein weiter Weg bis zur medikamentösen Behandlung
Studienautor Dr. Carley erklärt im Sleep Review, dass Forscher seit fast 35 Jahren versuchen, Medikamente zu identifizieren, um ein Schlafapnoesyndrom zu behandeln. Bisher ohne Erfolg. Carley entwickelte vor mehr als 15 Jahren die Idee, dass Dronabinol bei der Behandlung nützlich sein könnte.
Er und seine Kollegen testeten das Konzept in einem Tiermodell, veröffentlichten die Ergebnisse 2002 und starteten 2007 eine Pilotstudie an Menschen. Die ermutigenden Ergebnisse dieser kleinen Pilotstudie bildeten die Grundlage für die aktuelle klinische Studie unter der Leitung von Carley und Zee.
Die beiden Wissenschaftler haben einen Weg zum ersten Medikament gegen obstruktive Schlafapnoe aufgezeigt.
„Unsere Studien könnten einen großen Einfluss auf die klinische Praxis haben“, so Dr. Carley im Sleep Review. Atemmasken sind effektiv, aber selbst Patienten, die bereit sind, diese zu tragen, schaffen dies oft nur etwa vier Stunden pro Nacht im Durchschnitt, erklärt der Wissenschaftler. „Das Beste, was sie bekommen können, ist eine Verbesserung ihrer Schlafapnoe um etwa 50%“, so Carley. „Wenn Menschen eine Pille nehmen, um Schlafapnoe zu behandeln, werden sie für die ganze Nacht behandelt.“
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