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Techniker Krankenkasse kritisiert Medizinalhanf

Gesa-2019 Autor:
Gesa Riedewald

Kürzlich hat die Techniker Krankenkasse (TK) ihren „Cannabis-Report“ veröffentlicht. Ein gutes Jahr nachdem Cannabis auf Rezept legalisiert wurde, zieht die TK eine kritische Bilanz: Nur selten helfe Cannabis als Medizin. Mit ihrem Report wolle die Krankenkasse den Hype um Medizinalhanf eindämmen – tatsächlich wirkt der Cannabis-Report wie eine Abrechnung

Techniker Krankenkasse kritisiert Medizinalhanf

Update vom 27. September 2018

Vor einigen Monaten berichteten wir darüber, dass die Techniker Krankenkassen in ihrem Cannabis-Report den Einsatz von Medizinalhanf kritisierte. Inzwischen haben sich weitere Krankenkassen ähnlich geäußert. Die Barmer hat kürzlich ebenfalls einen Cannabis-Report vorgelegt, in dem sie bemängelt, dass der Nutzen von Cannabis als Medizin häufig nicht erwiesen sei:

„Um Cannabis als Medizin ist ein Hype entstanden, der nur im Einzelfall berechtigt ist. Cannabishaltige Arzneimittel dürfen nun bei vielen Erkrankungen verordnet werden, auch wenn deren Wirkung wissenschaftlich nicht hinlänglich erwiesen ist. Bei Schmerzen etwa sollte Cannabis möglichst nur als Ergänzung zu bewährten Konzepten wie der multimodalen Schmerztherapie zum Einsatz kommen“, so Dr. Ursula Marschall, leitende Medizinerin bei der Barmer.

Darüber hinaus sieht die Krankenkasse den Einsatz von Cannabisblüten kritisch: Die seien kaum dosierbar und unverhältnismäßig teuer.

Auch die Siemens-Betriebskrankenkasse (SBK) beklagt, dass trotz unklarer Studienlage häufig Medizinalhanf verordnet wird. Die Kasse wünscht sich, dass Cannabis-Patienten von Cannabisblüten auf andere Cannabis-Arzneimittel umsteigen.

Ursprünglicher Beitrag

Gleich zu Beginn ihres kürzlich vorgestellten Cannabis-Reports stellt die Techniker Krankenkasse klar: Medizinisches Cannabis „ist kein Wundermittel und nur selten eine Alternative zu bereits bestehenden Therapien“. Dann räumt der Bericht allerdings ein, dass Medizinalhanf „im Einzelfall“ sinnvoll sein kann.

Techniker Krankenkasse: Cannabis nur selten eine Therapiealternative

Mit ihrem Cannabis-Report, der Leafly.de vorliegt, wolle die Techniker Krankenkasse „dem Hype um Cannabis eine nüchterne Betrachtung der Vor- und Nachteile entgegensetzen“. Wie eine „nüchterne Betrachtung“ liest sich der Bericht, den die Krankenkasse gemeinsam mit der Universität Bremen erarbeitet hat, allerdings in weiten Teilen nicht. Tatsächlich wirkt er eher wie eine Abrechnung mit der gesundheitspolitischen Entscheidung, Cannabis zu medizinischen Zwecken zu legalisieren.

Die Techniker Krankenkasse schreibt selbst zum Sinn und Zweck ihres Cannabis-Reports: Er „soll Ärzten und Patienten eine Orientierung bieten und die Mythen um die Cannabis-Therapie ausräumen.“

Krankenkasse kritisiert mangelhafte Studienlage

Im März 2017 machte das sogenannte Cannabisgesetz möglich, worauf viele Patientinnen und Patienten lange gewartet hatten: Seitdem ist es möglich, Cannabis auf Rezept zu bekommen – und die Kasse zahlt dafür. Bereits damals waren die Krankenkassen kritisch: Wegen mangelnder Evidenz sei der Nutzen einer Cannabis-Behandlung gar nicht gesichert.

Die „lückenhaften Studienlage zur Wirksamkeit und Sicherheit von medizinischem Cannabis“ beklagt die Techniker Krankenkasse auch jetzt in ihrem Report. Dort zeigen die Autoren einen Überblick über die 140 bisher vorliegenden Studien, die wissenschaftlichen Kriterien genügen und über die Wirksamkeit von Cannabis Aufschluss geben.

TK: Nutzen von Cannabis als Medizin nur in seltenen Fällen

Bei psychischen Erkrankungen wie Depressionen, Psychosen und Demenz, aber auch bei chronischen Darmerkrankungen sowie der Augenkrankheit Grüner Star (Glaukom) sieht die TK keine Wirksamkeit von Cannabis als Medizin.

Bei chronischen Schmerzen sei ein Nutzen von Medizinalhanf „denkbar“, so die Techniker Krankenkasse. Das gilt auch bei Übelkeit (als Folge einer Chemotherapie), bei Appetitlosigkeit von AIDS-Patienten, bei Muskelkrämpfen infolge einer MS-Erkrankung sowie bei Epilepsie. Bei Angst- und Schlafstörungen, beim Tourette-Syndrom und bei ADHS sei eine positive Wirkung von Cannabis als Medizin möglich.

Die TK kritisiert, dass für Cannabis nicht die gleichen Voraussetzungen gelten wie für alle anderen Medikamente: Ehe die Kosten für ein Medikament von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden, muss der Hersteller nachweisen, dass es wirkt. Dieses Verfahren habe die Politik bei Cannabis als Medizin „umgangen“, kritisiert TK-Chef Jens Baas. Und das „trotz der unbefriedigenden Studienlage und der geringen Evidenz“.

Beim Cannabisgesetz hat sich der Gesetzgeber aber ausdrücklich für die Möglichkeit entschieden, Cannabis als Medizin einzusetzen, trotz der schlechten Studienlage. Die Politik hat also ganz bewusst für Medizinalhanf eine Ausnahme geschaffen. Daher dürfen auch die gesetzlichen Kassen, laut Entscheidung des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG), keinen Antrag auf Cannabis-Therapie wegen fehlender Evidenz ablehnen.

Cannabis-Patienten sind keine jugendlichen Kiffer

Interessant sind die Informationen, die der TK-Report zur Statistik der Cannabis-Patienten bereithält: Die böse Behauptung, mit dem Cannabisgesetz würden sich jugendliche Cannabis-Konsumenten ihre Drogen auf Rezept, und damit auf Kosten der Gemeinschaft besorgen, wird häufig von Legalisierungs-Gegnern angeführt.

Der Cannabis-Report räumt allerdings mit diesem Mythos auf: Von allen TK-Versicherten, die eine Cannabis-Verordnung vom Arzt bekamen, waren nur gut drei Prozent jünger als 20 Jahre, die Hälfte dagegen war zwischen 40 und 59 Jahren alt.

Die Techniker Krankenkasse gehört zu den Krankenkassen in Deutschland, die mit am wenigsten Verordnungen für cannabinoidhaltige Arzneimittel bewilligt.

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