Die richtige Cannabissorte oder das richtige Cannabis-Fertigarzneimittel für die Therapie einer Erkrankung zu finden, ist gar nicht so einfach. Denn es gibt nicht die Sorte XY, die speziell bei einer bestimmten Krankheit wirkt, während die Sorte YZ bei einer anderen wirkt. Wie Patienten auf die unterschiedlichen Sorten ansprechen, variiert stark. Manche Patienten schwören bei chronischen Schmerzen auf THC-reiche Sorten oder reine THC-Präparate wie Dronabinol. Andere hingegen benötigen einen hohen Anteil an CBD und weniger THC für die gleichen Symptome. Bei manchen Patienten wiederum wirken Fertigarzneimittel besser als Cannabisblüten – und umgekehrt. Daneben gibt es die Cannabisstämme, die unterschiedlich wirken (sollen): Man sagt, Sativa-Sorten wirken eher belebend, Indica-Sorten eher sedierend.
Kurzum: Das passende Cannabisarzneimittel (Blüten, Extrakte oder Fertigarzneimittel) sowie die optimale Dosierung bei bestimmten Krankheiten zu finden, ist nicht trivial. Häufig muss man eine Weile probieren und verschiedene Sorten testen, um die passende zu finden.
Das macht Cannabis zu einem für Ärzte eher unbequemen Arzneimittel und bringt Patienten möglicherweise vorschnell zu dem Schluss, es würde nicht helfen. In diesem Zusammenhang ist es natürlich interessant zu betrachten, welche Präparate oder Blüten in klinischen Studien Verwendung finden und welche Erkenntnisse aus den Studienergebnissen gezogen werden können.
Der Aufbau von klinischen Studien – und warum das für Cannabis problematisch ist
Eine klinische Studie wird immer durchgeführt, um eine konkrete Frage zu beantworten, z. B. senkt Medikament A den Blutdruck besser als Medikament B? Welche Dosierung ist die beste, um den gewünschten Effekt zu erzielen? Wirkt das zu untersuchende Medikament in einem Patientenkollektiv (z.B. Frauen/Männer/Kinder, Personen über 60 Jahre, etc.)? Um die Ergebnisse messen zu können, werden sogenannte primäre, manchmal auch sekundäre und seltener tertiäre Endpunkte festgelegt. Also Parameter, die gemessen werden können und dadurch eine Antwort auf die gestellte Frage zulassen (z. B. Senkung des Blutdrucks in mm/Hg, Reduktion der Schmerzen auf einer genormten Skala – über Schmerzfragebögen o.ä.). Diese strikten Vorgaben sind notwendig, um überhaupt eine qualitative und vor allem quantitative Aussage über eine Therapieform treffen zu können.
Bei Studien mit Cannabis oder cannabisbasierten Arzneimitteln wird folglich in einer klinischen Studie genau eine Cannabissorte oder ein Fertigarzneimittel verwendet. Wissenschaftlich betrachtet, ist das selbstverständlich das korrekte und notwendige Vorgehen. Der Nachteil daran ist, dass das Konstrukt recht statisch ist und keine Individualisierung auf die einzelnen Patienten zulässt. Wie wir aber bereits gesehen haben, erfordert die Arbeit mit Medizinalcannabis und cannabisbasierten Arzneimitteln ein hohes Maß an Flexibilität, um für den einzelnen Patienten zu funktionieren. Diese zwei Bedingungen kollidieren daher – wahrscheinlich – häufig miteinander. Möglicherweise ist das auch ein Grund, warum die Evidenz für Cannabis in vielen Bereichen noch dünn ist.
Cannabismedikamente in der klinischen Forschung
In den letzten Jahren hat die Forschung an Cannabis bzw. Cannabinoiden zur Behandlung verschiedenster Krankheiten deutlich zugenommen. Immer mehr Studien zu immer mehr Fragestellungen werden durchgeführt. Die Ergebnisse helfen dabei, das Potential von Medizinalhanf und cannabisbasierten Arzneimitteln besser einzuschätzen.
Noch immer ist auch viel Grundlagenforschung vonnöten, beispielsweise um herauszufinden, wie die einzelnen Cannabinoide in unterschiedlichen Kontexten (z.B. Geweben) wirken. Dazu wird ein Cannabinoid in aufgereinigter Form zu Zellen in Kultur gegeben und analysiert, was sich im Vergleich zu anderen Substanzen oder Placebo verändert. Die Zellkulturversuche sind wichtig, um in einem gut kontrollierbaren System (nur ein Zelltyp) Effekte untersuchen zu können.
Um ein Cannabinoid oder ein Medikament für die Behandlung einer Krankheit empfehlen und verordnen zu können, reichen positive Ergebnisse in der Zellkultur jedoch nicht aus. Dazu müssen die Substanzen an komplexen Organismen, z. B. an Versuchstieren oder am Menschen getestet werden. Ganz klar ist, dass dabei viele weitere Variablen vorhanden sind, die die Wirkung, die in der Zellkultur beobachtbar waren, sich verstärken, abschwächen oder generell verändern können. Um die Schwankungen in Ergebnissen möglichst gering zu halten, muss eine möglichst große Gruppe an Testern bzw. Patienten ein Medikament einsetzen. Im Rahmen der klinischen Forschung zu Cannabis war und ist aber auch das ein Problem. Häufig sind die Patientenzahlen in einer Studie relativ klein.
Eine Übersicht verschiedener Cannabis-Studien finden Sie hier.
Wie gut sind Studienergebnisse übertragbar?
Eingesetzt werden in klinischen Studien einzelne natürliche Cannabinoide, synthetische Cannabinoide (z.B. Nabilon), Cannabisextrakte in unterschiedlichen Zusammensetzungen, Fertigarzneimittel oder Cannabisblüten. Stellt sich im Rahmen einer Studie heraus, dass eine bestimmte Formulierung Symptome lindern kann, so gilt das streng genommen nur genau für dieses Medikament in genau dieser Dosierung. Wurde die Studie mit einem Fertigarzneimittel wie Sativex, Canemes oder Epidiolex durchgeführt, so ist es einfach möglich, einem Patienten genau dieses Arzneimittel zu verordnen.
Da die Dosierung von Fertigarzneimitteln oder Extrakten besser zu kontrollieren ist und gleichzeitig ein Vergleich mit den Studienergebnissen möglich ist, lautet die Empfehlung von Experten, vor allem Fertigarzneimittel oder Cannabisextrakte einzusetzen. Kommt das aus triftigen Gründen nicht in Frage und der Patient soll Cannabisblüten bekommen, so ist nicht sicher, dass die Wirkungen, die in der Studie mit dem Fertigarzneimittel beobachtbar waren, auch bei der Verwendung von Blüten erwartet werden kann. Ebenso verhält es sich, wenn es Ergebnisse für eine bestimmte Blütensorte mit einer bekannten Konzentration von THC, CBD und anderen Cannabinoiden gibt. Eine Übertragung der Ergebnisse im Sinne von “Cannabis” wirkt bei einer Erkrankung gut/schlecht, ist nicht problemlos möglich.
Es wird nie möglich sein, für alle vorhandenen Cannabissorten und Kombinationen von Cannabinoiden eindeutig sagen zu können, in welchem Anwendungsfall welches Medikament oder welche Sorte die beste Wirkung erzeugt. Es wird immer nötig sein, ein wenig zu probieren. Dennoch werden weitere Studien und weitere Ergebnisse – sowohl aus der Grundlagenforschung als auch aus der klinischen Forschung – dabei helfen, die Chancen, Risiken und Möglichkeiten von Medizinalhanf und Cannabinoiden besser zu verstehen.
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Hinweis: In diesem Artikel berichten wir über rezeptpflichtiges CBD oder auch Cannabidiol. Dieser Artikel macht zur möglichen Zweckbestimmung keinerlei Vorschlag. Nutzversprechen bleiben den Apothekern überlassen.
Quellen: