Das neue Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) soll laut Bundesgesundheitsministerium dafür sorgen, dass Patientinnen und Patienten in Zukunft schnellere Termine beim Arzt oder beim Psychotherapeuten erhalten. Ziel ist, dass niedergelassene Mediziner mehr Sprechstunden anbieten. Dadurch sollen sich die Angebote für gesetzlich Versicherte, die häufig sehr lange auf einen Termin bei einem Facharzt warten müssen, verbessern.
Was genau regelt das TSVG?
Kern des Gesetzes von Jens Spahn ist der Ausbau der Terminservicestellen. Sie sollen zentrale Anlaufstellen für Patientinnen und Patienten werden und 24 Stunden an sieben Tagen pro Woche erreichbar sein. Parallel dazu müssen Vertragsärzte eine höhere Zahl an Sprechstunden anbieten. In unterversorgten Gebieten müssen die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) künftig eigene Praxen eröffnen oder Versorgungsalternativen anbieten.
Außerdem wird der Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung um zusätzliche Angebote erweitert. Die Krankenkassen werden verpflichtet, spätestens ab 2021 für ihre Versicherten elektronische Patientenakten anzubieten.
Welche Vorteile bringt das TSVG?
Laut Bundesgesundheitsministerium bringt das Gesetz folgende Vorteile:
- Gesetzlich Versicherte sollen genauso schnell Arzttermine erhalten wie Privatversicherte
- Ärztinnen und Ärzte sollen mehr Sprechstunden anbieten
- Niedergelassene Ärzte bekommen für zusätzliche Leistungen auch mehr Geld
- Auf dem Land soll sich die Versorgung verbessern
Zurzeit müssen Patienten bei vielen Fachärzten – und besonders bei Psychotherapeuten – sehr lange auf einen Termin warten. Mit dem neuen Gesetz darf die Wartezeit für eine psychotherapeutische Akutbehandlung nur noch maximal zwei Wochen dauern.
Was bringt das TSVG für Cannabispatienten?
Cannabispatienten sind schwerkranke Menschen, die beispielsweise an Krebs erkrankt sind oder HIV-positiv sind. Häufig leiden sie an mehreren Erkrankungen gleichzeitig.
Natürlich profitieren auch Cannabispatienten von einer schnelleren Terminvergabe – vor allem im ländlichen Raum, wo die Versorgung häufig nicht gut ist. Allerdings haben chronisch Kranke in der Regel ohnehin einen festen Arzt und sind regelmäßig in Behandlung.
Weiterhin sind die gesetzlichen Krankenkassen mit dem TSVG verpflichtet, die Kosten für bestimmte Versorgungsangebote zu übernehmen, von denen auch Cannabispatienten profitieren. Beispiele für das verbesserte Angebot sind:
- Die Kryokonservierung, also die Konservierung von Keimzellgewebe, Ei- und Samenzellen, wird von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen, wenn sich die Betroffenen einer keimzellschädigenden Behandlung unterziehen müssen – etwa wegen einer Krebserkrankung. Voraussetzung ist, dass nach der Genesung eine künstliche Befruchtung ermöglicht werden kann.
- Arzneimittel zur Vorbeugung einer Infektion mit dem HI-Virus („Präexpositionsprophylaxe, PrEP“) werden für Menschen mit erhöhtem Ansteckungsrisiko eine Kassenleistung.
- Die Festzuschüsse für Zahnersatz erhöhen sich ab dem 01.10.2020 von 50 auf 60 Prozent der Kosten für die Regelversorgung.
Viele Ärzte schrecken vor Cannabis-Therapie zurück
Patienten, die gerne eine Behandlung mit Cannabinoiden starten möchten, haben oft sehr große Probleme, einen Arzt zu finden. Das liegt allerdings nicht an den mangelnden Terminen. Vielmehr lehnen Mediziner häufig eine Cannabis-Therapie ab. Hier sind also nicht vorrangig mehr Sprechzeiten nötig, sondern Aufklärung und Information, damit die Behandlung mit Cannabinoiden entstigmatisiert wird.
Darüber hinaus sind medizinische Fortbildungen nötig, damit Ärztinnen und Ärzte sich auch fachlich in der Lage sehen, eine Therapie mit Cannabis als Medizin zu beginnen. Laut einer Umfrage unter 300 Hausärzten in Deutschland findet gut ein Viertel der Ärzte den Umgang mit pharmazeutischem Cannabis schwierig. Knapp die Hälfte (45 %) der Umfrageteilnehmer fühlen sich noch nicht ausreichend geschult. Daher wünschen sie sich mehr Fortbildungen zum Thema Cannabinoide. Außerdem könnte Cannabis Bestandteil des Medizinstudiums werden.
Ein weiteres Hindernis sind die bürokratischen Hürden der Cannabis-Therapie. 64 Prozent der befragten Hausärzte finden, der Verschreibungsprozess sei zu aufwendig. Die Mediziner müssen einen umfangreichen Antrag auf Kostenübernahme für die Krankenkasse ausfüllen sowie an einer anonymisierten Begleiterhebung teilnehmen. Auch die Tatsache, dass die Krankenkassen häufig Cannabis-Anträge ablehnen, schreckt viele Ärzte ab: Für knapp die Hälfte der Befragten (47 %) ist das ein Hinderungsgrund.
Mehr zum Thema hier:
Ärzte kritisieren TSVG
Aus der Ärzteschaft hat es bereits in den letzten Monaten vielfältige und harsche Kritik am TSVG gehagelt:
“Mit dem TSVG drangsaliert die Politik die Ärzte“
So kommentierte KBV-Chef Dr. Andreas Gassen die geplante Vorgabe, die Mindestsprechstundenzahl für Kassenärzte von 20 auf 25 Stunden in der Woche zu erhöhen. Diese Kritik weist Gesundheitsminister Jens Spahn allerdings von sich: Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) habe an dem Gesetzentwurf intensiv mitgearbeitet.
Die Ärzteverbände haben Sorgen, dass das TSVG mit seinen detaillierten Vorgaben den Arztberuf noch unattraktiver macht und somit kontraproduktiv ist. Die Gesundheitsversorgung der Patientinnen und Patienten würde so nicht verbessert werden. Das erklärt die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV):
„Das TSVG ist geprägt von einem tiefen Misstrauen und einer Missachtung des freien Berufs. Es ist viel zu kleinteilig und nicht geeignet, die Versorgung zu verbessern. Es ist geeignet, die Attraktivität der Niederlassung weiter zu vermindern. (…) Wir brauchen insgesamt mehr Ärzte und eine Steigerung der Attraktivität der Niederlassung durch Abschaffung der Budgets und der Regresse.“