Empirische Forschung zur Verschreibung von Cannabisblüten
Kaum eine medizinische Therapieform wird so kontrovers diskutiert wie die Behandlung mit Medizinalcannabis, erklärt die Universität des Saarlandes in einer Pressemeldung. Die seit 2017 erlaubte Behandlung von schwer erkrankten Patienten wirft noch immer eine Vielzahl offener Fragen in der Öffentlichkeit wie auch in der Fachwelt auf. Aus diesem Grund widmet sich der Lehrstuhl für Wirtschaftspolitik der Universität des Saarlandes der ärztlichen Verschreibungspraxis von Cannabis. Bei der Untersuchung handelt es sich um ein langfristig angelegtes empirischen Forschungsprojekt. Allerdings liegen bereits jetzt erste Ergebnisse einer Umfrage bzw. Pilot-Befragung unter Cannabis verschreibenden Ärztinnen und Ärzten vor.
Umfrage: 2/3 der Patienten haben Tagesdosis von unter 1,5 Gramm
Besonders interessiert hat das Team der Uni die Entwicklung der Tagesdosierungen im Verlauf der Cannabis-Therapie. Die Umfrage unter Leitung von Univ.-Prof. Dr. Ashok Kaul zeigt, dass knapp 60 Prozent der Cannabispatienten im ersten Behandlungsmonat die Stärke der Wirkstoffe (THC oder CBD) oder die Tagesdosis anpassen. Diese Anpassung erfolgt meist nach oben. Zwei Drittel der Patienten werden dabei aber auf eine Tagesdosis von unter 1,5 Gramm eingestellt.
Patienten versorgen sich zusätzlich illegal mit Cannabis
In der Befragung zeigt sich auch, dass mehr als 40 Prozent der Ärzte den Eindruck haben, Patienten würden sich zusätzlich illegal mit Cannabis-Produkten versorgen. Die Hälfte der Ärzte sieht den Grund dafür in der mangelnden Verfügbarkeit von pharmazeutischem Cannabis. Die anhaltenden Lieferengpässe bei Cannabis aus der Apotheke sind ein Thema, über das wir bei Leafly.de bereits häufig berichtet haben.
Umstellung von Opiaten auf Cannabis als Medizin
Ein besonders bemerkenswertes Ergebnis liefert die Ärzte-Befragung mit Blick auf die Substitution von Opiaten bei Schmerzpatienten. Hier berichten 59 Prozent der befragten Mediziner, dass sie einen signifikanten Anteil der Patienten vollständig von Opiaten auf Cannabis als Medizin umgestellt haben. Im Durchschnitt waren dies 35 Prozent der Schmerzpatienten.
Dieses Ergebnis ist auch vor dem Hintergrund der gerade abgehaltenen Cannnabis-Anhörung im Deutschen Bundestag interessant. Hier hatten sowohl der Vertreter der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) wie auch der Vertreter der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin (DGS) erklärt, dass Cannabis keine Alternative zu Opiaten sei, da Cannabis diese nicht ersetzen könne. Cannabis sei nur als Add-on-Medikation zu Opiaten sinnvoll einsetzbar. (Leafly.de berichtete.)
Die Pilot-Befragung der Uni des Saarlandes wurde vollständig spendenfinanziert. Wie die Uni erklärte, werden die Spender bei Veröffentlichung der kompletten Ergebnisse offengelegt, soweit ihr Einverständnis vorliegt. Leafly.de bleibt am Ball und wird über das Forschungsprojekt weiter berichten.