Das im Gro-Ko-Vertrag geplante Versandverbot rezeptpflichtiger Arzneimittel (Rx-Versandverbot) verstößt gegen Europarecht – so sehen das die Grünen. Sie fürchten Haftungsrisiken für Deutschland, sollte das Rx-Versandverbot rechtswidrig sein. Daher hat die Bundestagsfraktion der Grünen kürzlich eine Kleine Anfrage gestellt. Darin erkundigen sie sich, wie die Bundesregierung die Risiken bewertet. Außerdem wollen sie wissen, wie viele Apotheken überhaupt betroffen seien und wie hoch der Umsatz im Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln liegt. (Leafly.de berichtete.)
Versandhandel ergänzt die Versorgung der Bevölkerung
Die Große Koalition begründet das geplante Verbot des Rx-Versandhandels damit, dass sie die Vor-Ort-Apotheken stärken will. Dieses Argument will die Opposition nicht gelten lassen: Vor-Ort-Apotheken sind wichtig für die Versorgung der Patienten, der Versandhandel aber ebenfalls – vor allem im ländlichen Raum. Dazu liege auch ein Gutachten des vorherigen Bundesfinanzministeriums vor, erklären die Grünen in ihrer Kleinen Anfrage:
„Die Bundesregierung verfügt selbst über aktuelle Erkenntnisse, die die Verhältnismäßigkeit eines Verbotes des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln in Zweifel ziehen.“ Das Gutachten komme zu dem Ergebnis, dass „die flächendeckende Versorgung in Deutschland aktuell nicht gefährdet“ sei. „Aus Sicht einer flächendeckenden Versorgung“ seien Botendienste von Vor-Ort-Apotheken und Lieferungen von Versandapotheken vielmehr „effiziente ergänzende Versorgungsformen der Bevölkerung in der Fläche.“
Auch das Wirtschaftsministerium habe seinerzeit ein Rx-Versandverbot aus europarechtlichen Gründen abgelehnt, erinnern die Grünen.
Ob Versandhandelsverbot kommt noch unklar
Die Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage der Grünen zeigt allerdings jetzt: Ob das im Koalitionsvertrag enthaltene Rx-Versandverbot tatsächlich umgesetzt wird, ist offenbar noch unklar:
„Der Meinungsbildungsprozess über die Umsetzung der Koalitionsvereinbarung ist zu diesem Punkt noch nicht abgeschlossen“, heißt es in der Antwort der Regierung.
Grundlage für die Entscheidung sei ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) von 2016. Der EuGH hatte entschieden, dass die in Deutschland geltende Preisbindung für rezeptpflichtige Medikamente ausländische Versandapotheken benachteiligt und daher gegen EU-Recht verstößt.
Wie die Regierung verlauten lässt, sei das Versandhandelsverbot nur eine mögliche Konsequenz aus dem Urteil. Eine andere sei die Aufhebung der Preisbindung für rezeptpflichtige Arzneimittel.
Nur wenige Apotheken betreiben Versandhandel
Wie das Gesundheitsministerium erklärt, betreiben nur rund 150 der insgesamt 19.748 Apotheken in Deutschland selbst einen „ernst zu nehmenden Versandhandel“. 3.620 Apotheken besitzen eine Versandhandelserlaubnis. Davon betreiben 1.272 Apotheken den Internethandel.
Nach Angaben des Bundesverbandes Deutscher Versandapotheken (BVDVA) erwirtschaften die Apotheken nur ein bis zwei Prozent des Umsatzes mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln durch den Versand dieser Medikamente.
Verbot könnte Auswirkungen auf Cannabispatienten haben
Das geplante Versandhandelsverbot kann auch Auswirkungen auf Cannabispatienten haben: In manchen Fällen versenden Vor-Ort-Apotheken Cannabis per Botendienst. Dies dürfen sie aber nur dann tun, wenn sie eine Versandhandelserlaubnis besitzen. Auch wenn der Versand von Betäubungsmitteln nicht empfohlen wird, ist er dennoch nicht verboten und im Einzelfall möglich.
Quellen: