Die Zahl der durch Rauschmittel (ohne Alkohol) verursachten Verkehrsunfälle ist in Deutschland binnen zehn Jahren deutlich gestiegen. Das geht laut Medienberichten aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken hervor. Grundlage der Antwort ist eine statistische Auswertung der Unfallursachen von 2007 bis 2017.
Verkehrsunfälle unter Einfluss von Alkohol und Drogen
Demnach stieg die Zahl der unter Drogeneinfluss ausgelösten Verkehrsunfälle von 1.336 auf 1.893 – was einen Anstieg von 42 Prozent bedeutet. Bei diesen Unfällen unter Drogeneinfluss starben 2017 insgesamt 37 Menschen.
Die Zahl der durch Alkoholkonsum verursachten Verkehrsunfälle sank um knapp 35 Prozent – von 19.384 Unfällen im Jahr 2007 auf 12.655 im Jahr 2017. Im selben Jahr kamen zudem 196 Menschen bei Unfällen, die auf Alkohol zurückzuführen sind, ums Leben.
Viele Experten fordern den kompletten Verzicht auf Alkohol und Drogen hinterm Steuer. So erklärte auch die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler (CSU): “In der Schwangerschaft genauso wie hinter dem Steuer sollte allen klar sein: 0,0 Promille“.
Ebenso fordert der Präsident des Deutschen Verkehrssicherheitsrats, Walter Eichendorf null Toleranz. „Wer fährt, trinkt nicht – wer trinkt, fährt nicht“, sagte er.
Darüber hinaus bevorzugen auch Institutionen wir die Landesstelle für Suchtfragen in Hamburg einen einheitlichen Null-Grenzwert für alle – für Cannabis und Alkohol. Wie Alkohol habe auch Cannabis im Straßenverkehr nichts zu suchen. (Leafly.de berichtete.)
Die Bundesregierung schließt sich der Forderung nach null Toleranz beim Alkohol allerdings nicht an: Sie hält einen Grenzwert von 0,0 Promille nicht für verkehrsfördernder als die aktuell geltende Regelung.
Daten geben keinen Hinweis auf Cannabis-Konsum
Niema Movassat, drogenpolitischer Sprecher der Linken im Bundestag, kritisert, dass die Bundesregierung zwar Kenntnis darüber hat, dass es in den letzten zehn Jahren einen Anstieg von Unfällen mit Personenschaden im Straßenverkehr gab, die auf den Einfluss berauschender Mittel (außer Alkohol) zurückzuführen sind. Allerdings wird nicht nach Art der Droge unterschieden und daher hat die Bundesregierung auch keine Anhaltspunkte, wie viele Unfälle unter dem Einfluss von Cannabis erfolgten. Auch ob die Unfälle unter Cannabiseinfluss zugenommen haben und welche THC-Werte im Bluterserum bei den Unfallverursachern vorlagen, ist nicht bekannt.
Diskussion über THC-Grenzwerte im Straßenverkehr
Eine Anhebung des Grenzwertes für THC im Blut fordern die drogenpolitischen Sprecher der Linken, der Grünen und der FDP. So erklärt Niema Movassat von den Linken:
„Auf den Straßen Deutschlands werden Menschen, die sehr geringe Mengen Alkohol oder THC im Blut aufweisen, sehr unterschiedlich behandelt. Während bei Alkohol die bewährte 0,5-Promille-Grenze existiert, gibt es für Cannabis keine vergleichbare Regelung. Schon allerkleinste Mengen von THC im Blut reichen für den Entzug der Fahrerlaubnis aus. Der derzeitige Grenzwert bei Cannabis beträgt 1,0 ng/ml Blutserum und entspricht dem, was gerade noch wissenschaftlich messbar ist. Ihn erreichen Cannabiskonsumenten oft noch Tage nach dem Konsum – ohne dass eine verkehrsrelevante Beeinträchtigung vorliegen muss.“
Auch die Grenzwertkommission empfiehlt eine Anhebung des THC-Grenzwertes von den derzeit geltenden 1,0 auf 3,0. Die Grenzwertkommission ist eine fachübergreifende Arbeitsgruppe, die die Bundesregierung berät. So haben die Deutsche Gesellschaft für Rechtsmedizin, die Deutsche Gesellschaft für Verkehrsmedizin und die Gesellschaft für Forensische und Toxikologische Chemie die Grenzwertkommission gegründet. (Leafly.de berichtete.)
Die Bundesregierung jedoch will erst ein laufendes Verfahren des Bundesverwaltungsgerichts abwarten, bevor sie sich zu einer Anhebung äußern will. Dies erklärt die Regierung in der Antwort auf die aktuelle Anfrage der Linken im Bundestag.
Wie Leafly.de kürzlich berichtete, hält auch Bayern bei Cannabis am Steuer am niedrigen Grenzwert von 1,0 ng/ml THC im Blutserum fest. Das geht aus einer Anfrage der Grünen im Bayerischen Landtag um die Fraktionsvorsitzende Katharina Schulze hervor.
ADAC besorgt: Gefahren werden unterschätzt
Der ADAC bemängelt hingegen, dass Autofahrerinnen und Autofahrer nicht ausreichend über die Auswirkungen von Cannabis und anderer Drogen hinter dem Steuer informiert sind. Laut einer Umfrage des ADAC wurden die Beeinträchtigungen durch Cannabis-Konsum von den Befragten als geringes Risiko eingestuft – sogar geringer als die Gefahr, die von Müdigkeit am Steuer ausgeht. Für den ADAC ist das Ergebnis besorgniserregend.
Vor allem durch das verringerte Konzentrations-, Wahrnehmungs- und Urteilsvermögen erhöhe sich das Unfallrisiko für sich selbst wie für andere Verkehrsteilnehmer. Daher spricht sich der Mobilitätsclub dafür aus, die Aufklärungsarbeit rund um den Konsum von Drogen und Alkohol zu intensivieren. Darüber hinaus fordert der ADAC, vermehrt Alkohol- und Drogenkontrollen mit Mehrfachsubstanz-Nachweis durchzuführen. (Leafly. de berichtete.)