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Welche Cannabis-Medikamente sind in Deutschland legal?

Leafly: Alexandra Latour Autor:
Alexandra Latour

Allgemein herrscht rund um Informationen zu Medikamenten und Präparaten aus Cannabis eine große Verwirrung. Welche Präparate sind legal und welche sind verschreibungspflichtig? Sind alle Produkte aus Cannabis oder mit Cannabinoiden wie THC und CBD in Deutschland erhältlich? Und was hat es eigentlich mit den „Tränen des Phönix“ auf sich? Leafly.de beantwortet im folgenden Beitrag alle offenen Fragen.

Welche Cannabis-Medikamente sind in Deutschland legal?

Nachdem das Cannabis-Gesetz im März 2017 in Kraft getreten ist, dürfen Ärzte jeder Fachrichtung, außer Tierärzte, Cannabis als Medizin auf einem BtM-Rezept verordnen. Unterschieden wird hier zwischen Cannabis-Medikamenten (cannabisbasierte Arzneimittel), die auch als Fertigarzneimittel bezeichnet werden, sowie Rezepturarzneimitteln und medizinischen Cannabisblüten.

Patienten können vor der Erstverordnung einen Antrag auf Kostenübernahme bei der gesetzlichen Krankenkasse stellen. Diese darf die Kostenübernahme nur in begründeten Ausnahmefällen ablehnen. In der Praxis gestaltet sich dies für die Patienten jedoch sehr schwierig. Oftmals müssen sie für die Kostenübernahme der Therapie Rechtsmittel einlegen, weil die Krankenkassen ihre Anträge ablehnen. Das zeigen auch die Zahlen aus unserem Bericht.

Woher stammt das medizinische Cannabis?

Aktuell wird das medizinische Cannabis aus den Niederlanden oder aus Kanada nach Deutschland importiert. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat nach Inkrafttreten des Gesetzes im März 2017 die Cannabisagentur eingerichtet. Dieser Geschäftsbereich des BfArM soll den staatlich kontrollierten Cannabisanbau in Deutschland überwachen.

Das Vergabeverfahren vom BfArM für den Anbau von Cannabis zu medizinischen Zwecken ist bereits abgeschlossen (Leafly.de berichtete). Die Zuschläge haben die deutschen Tochterunternehmen von Aphria und Aurora vom BfArM erhalten. Ebenso die DEMECAN GmbH.

Darüber hinaus hat die Bunker Pflanzenextrakte GmbH, eine 100-prozentige deutsche Tochtergesellschaft der kanadischen Firma XPhyto Therapeutics, vom BfArM eine Sondergenehmigung zum Anbau und zur Gewinnung von Cannabis zu wissenschaftlichen Zwecken erhalten (Leafly.de berichtete).

Die erste Ernte von medizinischem Cannabis in Deutschland wird für das vierte Quartal 2020 erwartet.

Welche medizinischen Cannabisblüten sind verordnungsfähig?

Medizinische Cannabisblüten

Der Import von medizinischen Cannabisblüten erfolgt über verschiedene deutsche Unternehmen. Bezogen werden die Blüten von Bedrocan aus den Niederlanden, Tweed Tochterunternehmen von Canopy Growth Kanada), Aurora Cannabis Kanada und Peace Naturals Kanada.

Die Cannabisproduzenten stellen verschiedene Sorten zur Auswahl, die alle einen unterschiedlich hohen Gehalt der Cannabinoide Delta-9-Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD) aufweisen. Einige Cannabisblüten werden als getrocknete Blüten oder aber bereits granuliert (zerkleinert) von den Apotheken ausgegeben. In der Regel erfolgt die Abgabe durch die Apotheke in 5- oder 10-Gramm-Dosen.

Eine Therapie mit medizinischem Cannabis ist beispielsweise bei folgenden Erkrankungen/Beschwerden möglich:

  • chronische Schmerzen
  • chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (z. B. Morbus Crohn)
  • Epilepsie, Tourette-Syndrom, Tremor
  • bei Krebs- oder AIDS-Patienten gegen Übelkeit, Erbrechen und Appetitverlust

Eine Übersicht der medizinischen Cannabissorten und Indikationen finden Sie in diesem Beitrag.

Weitere Informationen zu Cannabissorten bieten diese Artikel:
Sativa vs. Indica: Was sagen Experten?
Cannabis Sorten: Indica, Sativa und Ruderalis – Das sind die Unterschiede

Welche Fertigarzneimittel sind verordnungsfähig?

Hierzulande gibt es aktuell die Verschreibungsmöglichkeiten für die cannabishaltigen Arzneimittel Canemes und Sativex sowie das Rezepturarzneimittel Dronabinol.

Sativex-copyright-msunites-com_900x500_acf_cropped Spastiken Cannabis-Spray

Sativex Mundspray

Das Mundspray Sativex® mit dem Wirkstoff Nabiximol (3,8 – 4,4 mg) ist bereits seit 2011 erhältlich. Es enthält ein mit flüssigem Kohlenstoff extrahiertes Dickextrakt aus den Blüten und Blättern der Cannabispflanze. Das Mengenverhältnis der Cannabinoide THC (Dronabinol) zu CBD ist standardisiert. Das bedeutet, dass der THC-Gehalt und der CBD-Gehalt gleich hoch sind.

Die medizinische Anwendung (in-label) erfolgt bei erwachsenen Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Spastiken bei einer Multipler Sklerose Erkrankung. Außer als bei Multipler Sklerose kann Sativex auch unter anderem bei Epilepsie oder neuropathischen Schmerzen verschrieben werden (off-label).

Darüber hinaus ist das Medikament Canemes verordnungsfähig. Es handelt sich hierbei um Kapseln mit dem Wirkstoff Nabilon, einem vollsynthetischen THC-Analogon. Dabei ähnelt die Wirkung der von Dronabinol (THC). Indiziert (in-label) ist Canemes für die Behandlung von chemotherapiebedingter Übelkeit, Erbrechen und Appetitverlust.

Andere Medikamente auf Cannabisbasis bzw. Cannabis-Arzneimittel sind in Deutschland aktuell nicht zugelassen.

Welche Rezepturarzneimittel sind verordnungsfähig?

Ärzte können ihren Patienten eine ölige Cannabisölharz-Lösung (25 mg/ml Dronabinol) verordnen. Der Apotheker stellt diese Lösung nach Vorschrift aus raffiniertem Cannabisölharz und mittelkettigen Triglyceriden her. Dabei ist zu beachten, dass das Cannabisöl peroral einzunehmen ist. Es darf nicht verdampft oder inhaliert werden, denn hierdurch können gesundheitsgefährliche Nebenwirkungen auftreten.

Der kanadische Hersteller Tilray hat Cannabis Vollspektrumextrakte für die Medizin entwickelt, die neben den Cannabinoiden THC und CBD alle weiteren Inhaltsstoffe der Cannabisblüten wie Terpene enthalten. Bis Oktober 2017 waren solche Cannabisextrakte bzw. Arzneimittel hierzulande nicht verfügbar.

Zu den Produkten gehören das Cannabisextrakt „THC25“, das einen THC-Gehalt von 25 mg/ml und einem CBD-Gehalt von unter 0,5 mg/ml aufweist, sowie „THC10:CBD10“ mit einem THC- und CBD-Gehalt von 10 mg/ml. Beide Cannabisextrakte sind in Traubenkernöl raffiniert und werden nach Vorlage des BTM-Rezeptes durch den Patienten von Apotheken für die orale Darreichung zubereitet.

In der Regel werden die Vollspektrumextrakte für verschiedene Indikationen verordnet. Hierzu gehören chronische Schmerzen, Multiple Sklerose, Epilepsie, Autismus, Migräne, Tourette-Syndrom, Depressionen sowie bei schwerwiegenden Erkrankungen wie Krebs oder HIV/AIDS.

Informationen zu den Darreichungsformen von cannabisbasierten Arzneimitteln finden Sie in diesem Beitrag.

Therapeutisches Potenzial von Cannabis als Medizin

Dr. Kirsten Müller-Vahl und Dr. Franjo Grotenhermen haben in ihrer Untersuchung ausgeführt, dass Cannabinoide bei unterschiedlichen Erkrankungen und Beschwerden einen therapeutischen Nutzen besitzen. Dabei ist die Wirksamkeit von Medizinal-Cannabis auf die Aktivierung der körpereigenen Cannabinoid-Rezeptoren CB1 und CB2 zurückzuführen.

Müller-Vahl und Grotenhermen führen an, dass es seit dem Jahr 1975 über 100 kontrollierte klinische Studien mit Cannabinoiden oder Ganzpflanzen-Medikamenten bei verschiedenen Indikationen durchgeführt wurden. Dank dieser Studien erfolgte die Zulassung von cannabisbasierten Arzneimitteln in vielen Ländern.

Weiter führen die Mediziner aus, dass die häufigsten Nebenwirkungen nach dem medizinischen Cannabis-Konsum psychische Effekte, Müdigkeit, Schwindel und Mundtrockenheit sind. Innerhalb kurzer Zeit entwickelt sich jedoch gegenüber diesen Nebenwirkungen eine Toleranz.

 

Hinweis: In diesem Artikel berichten wir über rezeptpflichtiges CBD oder auch Cannabidiol. Dieser Artikel macht zur möglichen Zweckbestimmung keinerlei Vorschlag. Nutzversprechen bleiben den Apothekern überlassen.

 

 

 

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