“Rückgang der HIV-Neuinfektionen ist wegweisend”
Anlässlich des Welt-AIDS-Tages am 1. Dezember 2018 hat das Robert Koch-Institut die neuesten Zahlen zum Thema HIV/AIDS in Deutschland veröffentlicht. Diese Daten zeigen, dass die HIV-Neuinfektionen in Deutschland zurückgegangen sind. Rund 2.700 Menschen infizierten sich im Jahr 2017. Im Jahr zuvor waren es nach neuen Berechnungen noch 2.900.
Die größte Risikogruppe sind weiterhin Männer, die mit Männern Sex haben (MSM). Hier ist die Zahl der geschätzten Neuinfektionen sogar deutlich gesunken, von 2.300 im Jahr 2013 auf 1.700 in 2017. Allerdings: Wenn es Neuerkrankungen gibt, dann meist bei älteren Menschen.
Sven Warminsky vom Vorstand der Deutschen AIDS-Hilfe erklärt dazu:
„Der Rückgang der HIV-Neuinfektionen ist erfreulich und wegweisend. Wir verdanken diesen Erfolg einer Kombination aus konsequenter HIV-Prävention und medizinischen Fortschritten. Indem wir weitere Lücken schließen, könnten wir noch mehr Menschen eine HIV-Infektion ersparen. Die Möglichkeiten sind so gut wie nie!“
Heute kann eine HIV-Infektion gut behandelt werden
Trotz intensiver Forschungen ist HIV/AIDS bisher nicht heilbar. Auch existiert keine Impfung gegen den Virus. Die gute Nachricht ist, dass eine HIV-Infektion heute gut behandelt werden kann. Vor 30 Jahren war eine HIV-Infektion meist tödlich. Heute kann man mit Medikamenten verhindern, dass AIDS ausbricht. So können Menschen mit HIV inzwischen alt werden und gut leben. Voraussetzungen dafür sind allerdings eine frühzeitige Diagnose und Therapie.
HIV-Medikamente unterdrücken die Vermehrung von Viren im Körper und verhindern so, dass die Zellen des Immunsystems zerstört werden. Fachleute bezeichnen diese Therapie als HAART (hochaktive antiretrovirale Therapie) oder ART (antiretrovirale Therapie).
Lothar H. Wieler, Präsident des Robert Koch-Instituts, erklärt: Sobald die Therapie eine Absenkung der Zahl der Viren im Körper erreicht hat, werden keine Übertragungen mehr beobachtet. Konkret bedeutet das: HIV ist unter einer Therapie nicht mehr übertragbar.
„Die effektive und frühe Behandlung nach der Diagnose, der Ausbau zielgruppenspezifischer Testangebote und die gestiegene Testbereitschaft der Betroffenen sind wesentliche Gründe für die sinkende Zahl der HIV-Neuinfektionen“, unterstreicht Wieler.
Der Kampf gegen AIDS und HIV ist noch nicht beendet
Laut Bundesgesundheitsminister Jens Spahn gehört Deutschland „dank der erfolgreichen Präventionsarbeit und der guten Behandlungsmöglichkeiten“ bereits heute „zu den Ländern mit den niedrigsten HIV-Neuinfektionsraten in Europa“. Das bedeutet aber nicht, dass wir schon am Ende des Weges angekommen sind: Der Kampf gegen HIV und AIDS ist noch lange nicht vorbei.
„Wir wollen die Zahl der Neuinfektionen weiter senken“, erklärt Jens Spahn. Deswegen haben wir den Verkauf von HIV-Selbsttests freigegeben. Und deswegen haben wir die Kassen verpflichtet, den medikamentösen Schutz gegen eine Infektion (PrEP) für Menschen mit einem erhöhten Ansteckungsrisiko zu übernehmen. Deutschland will seinen Beitrag leisten, HIV und AIDS endgültig zu besiegen.“
Die Kostenerstattung der HIV-Prophylaxe PrEP durch die gesetzlichen Krankenkassen soll zum Herbst kommenden Jahres eingeführt werden. “Die Kostenübernahme ermöglicht noch mehr Menschen mit hohem HIV-Risiko Zugang zu dieser äußerst effektiven Schutzmaßnahme“, betont Sven Warminsky von der Deutschen AIDS-Hilfe.
Das Robert Koch-Institut rät außerdem zu einer weiteren Ausweitung von Testangeboten. Denn noch immer infizieren sich mehr Menschen neu als diagnostiziert werden. Positiv sind ebenfalls der gerade eingeführte HIV-Selbsttest und die Möglichkeit von Einsendetests, die im Aidshilfe-Projekt „S.A.M – Mein Heimtest“ gerade in Bayern erprobt werden.
Risiko Spätdiagnose von HIV
Wird die HIV-Infektion erst nach vielen Jahren erkannt, leiden die Betroffenen oft an dem Vollbild der Erkrankung – AIDS. Etwa ein Drittel aller Menschen hat bei der HIV-Diagnose in Deutschland bereits ein sehr geschwächtes Immunsystem und knapp die Hälfte davon die Immunschwächekrankheit AIDS. In Deutschland erkranken jedes Jahr mehr als 1.000 Menschen an AIDS.
Die Spätdiagnose von HIV kann zu Komplikationen bei der Behandlung, langfristigen gesundheitlichen Beeinträchtigungen sowie einer sinkenden Lebenserwartung führen. Rund 450 Menschen sind gemäß neuen Schätzungen des Robert Koch-Instituts mit oder an HIV gestorben.
Wie kann Medizinalcannabis bei HIV/AIDS helfen?
Cannabis hat sich als in der Behandlung einiger HIV-Beschwerden als wirksam bewiesen. Darüber hinaus hilft es bei Nebenwirkungen, die die HIV-Therapie hervorrufen kann. Beispielsweise ist der Wirkstoff THC inzwischen eine etablierte Behandlung bei Appetitlosigkeit und Abmagerung als Folge von AIDS.
Appetitlosigkeit geht häufig mit einer HIV-Erkrankung einher. Diese kann zu starkem Gewichtsverlust führen, der den geschwächten Körper zusätzlich belastet. Werden durch die HIV-Medikamente Übelkeit und Erbrechen hervorgerufen, sind die Betroffenen ebenfalls appetitlos. Auch gegen Übelkeit und Erbrechen kann THC, beispielsweise in Form von Dronabinol, gut helfen.
Weitere Beschwerden, bei denen sich Cannabis positiv auswirken kann, sind:
- Schlaflosigkeit
- Angst und Angststörungen
- Nervenschmerzen
- Chronische Schmerzen
- Missempfindungen wie Brennen, Kribbeln und Prickeln
- Depressionen
- Verstopfung
- Schwächegefühl
In Studien wurde untersucht, ob eine Behandlung mit Cannabis zusätzlich zu einer HIV- oder AIDS-Therapie unerwünschte Wechselwirkungen hervorruft. Dies konnte nicht beobachtet werden. Offenbar hat Cannabis keinen negativen Einfluss auf die Wirksamkeit der ART. (Leafly.de berichtete.)
Cannabinoide wirken positiv auf das Immunsystem
Bei einem Großteil der HIV-infizierten Patienten liegt eine erhöhte chronische Immunaktivierung vor. Unterzieht sich der Patient einer HIV-Behandlung (ART), trägt dies dazu bei, Entzündungen und die Aktivierung des Immunsystems zu reduzieren. Dennoch erreichen HIV-Patienten trotz Therapie nicht das niedrige Niveau gesunder HIV-negativer Personen.
Diese chronische HIV-bedingte Immunaktivierung kann langfristig zu einem erhöhten Risiko für folgende Begleiterkrankungen beitragen:
- Herz-Kreislauf-Erkrankungen (einschließlich Herzinfarkt und Schlaganfall)
- Alzheimer und Parkinson
- Typ 2 Diabetes
- entzündliche Erkrankungen des Verdauungstraktes (wie Morbus Crohn)
- Arthritis
- Erkrankungen der Lunge
- Knochenschwäche
- Psoriasis
Studien zeigen: Cannabinoide reduzieren Immunaktivität
Aus diesem Grund führen Wissenschaftler Studien durch, um eine übermäßige HIV-bedingte Entzündung zu reduzieren. Cannabis hat bereits in anderen Zusammenhängen seine entzündungshemmenden Wirkungen gezeigt.
Laborversuche mit Zellen des Immunsystems von HIV-positiven und HIV-negativen Menschen haben gezeigt, dass Cannabinoide die Immunaktivierung reduzieren können. In einer Reihe von Experimenten fanden die Forscher heraus, dass HIV-positive Cannabis-Konsumenten eine verringerte Immunaktivierung hatten. In anderen Experimenten bestätigten die Forscher die dämpfende Wirkung von Marihuana oder seiner Extrakte (insbesondere THC) auf die Aktivitäten des Immunsystems.
Eine andere Studie von Februar 2018 mit ART-behandelten HIV-positiven Menschen bestätigt diese Ergebnisse. In dieser Untersuchung mit Marihuana-Konsumenten zeigte sich, dass ein regelmäßiger Cannabiskonsum mit einer Abnahme von Entzündungszellen und einer verringerten Immunaktivierung einhergeht.
Insgesamt legen die Ergebnisse dieser Laborexperimente und Untersuchungen nahe, dass Cannabis das Potenzial hat, die Immunaktivierung und Entzündung bei HIV-positiven Menschen zu reduzieren.
Weitere Studien sind allerdings erforderlich, um den Mechanismus zu bestimmen, durch den Cannabis die Immunaktivierung verringert.
Neue Studie: Wie wirken sich Cannabinoide auf HIV aus?
Eine aktuelle Pilotstudie der McGill University in Kanada will untersuchen, ob orale Cannabinoide HIV-assoziierte Entzündungen reduzieren können. Geplant ist, dass diese HIV-Studie Ende 2019 abgeschlossen wird. Die Ergebnisse könnten wichtige Erkenntnisse darüber liefern, wie sich die Wirkstoffe THC und CBD auf den Zustand von Menschen mit HIV auswirken.
Generell bleibt zu hoffen, dass zukünftige Forschung zeigen wird, wie Cannabinoide sich positiv auf HIV auswirken – und auch wie dieser Effekt zu erklären ist. So könnten neuartige Therapeutika entwickelt werden, die in Verbindung mit einer HIV-Therapie (ART) zu einer Verringerung dauerhafter Entzündungen beitragen könnten.
Hier finden Betroffene Hilfe und Anlaufstellen:
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung https://www.bzga.de
Bundesgesundheitsministerium https://www.bundesgesundheitsministerium.de/
Deutsche AIDS-Hilfe https://www.aidshilfe.de/
Deutsche AIDS-Stiftung https://aids-stiftung.de/
Weitere Informationen zum Thema gibts auch in dieser Kampagne https://wissen-verdoppeln.hiv/
Hinweis: In diesem Artikel berichten wir über rezeptpflichtiges CBD oder auch Cannabidiol. Dieser Artikel macht zur möglichen Zweckbestimmung keinerlei Vorschlag. Nutzversprechen bleiben den Apothekern überlassen.