Die Europäische Kommission hat einen „Vorschlag für einen Ratsbeschluss“ vorgelegt. Darin spricht sie sich dafür aus, dass die EU-Mitgliedsaaten für drei der sechs Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zur Einstufung von Cannabis stimmen sollten. Die WHO hatte sich in der Vergangenheit für eine Cannabis-Neubewertung ausgesprochen.
Hintergrund des Vorschlags ist die Sitzung der Suchtstoffkommission der Vereinten Nationen (CND) im März. Wenn die EU-Länder hier tatsächlich gemeinsam abstimmen würden, hätten die drei Anträge, die die Kommission unterstützt, eine deutlich bessere Chance, angenommen zu werden.
Cannabis-Neubewertung: Worum geht es?
Ende 2018 untersuchte die WHO erneut die Risiken von Cannabis, THC und CBD (Leafly.de berichtete). Die Wissenschaftler kamen zu dem Schluss, dass die aktuelle Einstufung, die Cannabis mit Heroin in eine Gruppe einordnet, nicht gerechtfertigt sei. Gleichzeitig erkannte die WHO einen medizinischen Nutzen von Cannabis an.
Cannabis-Neubewertung: von Anlage IV zu Anlage I
Die WHO empfiehlt, Cannabisblüten und Cannabisharz aus der Liste der gefährlichsten Drogen, der Anlage IV der Single Convention, zu streichen und stattdessen nur noch in der Liste der weniger gefährlichen Drogen der Anlage I zu führen. Die Europäische Kommission unterstützt diese Forderung.
Tatsächlich würde diese Veränderung keine bedeutende Änderung des internationalen Kontrollniveaus bedeuten.
Aber eine Streichung aus Anlage IV „wäre der Förderung des kollektiven Wissens über den therapeutischen Nutzen und die damit verbundenen Schäden von Cannabis förderlich“, so die Kommission.
Diese Neubewertung würde die medizinische Anwendung von Cannabis erleichtern. Für den Freizeitkonsum hätte sie keine Auswirkungen.
Weiterhin spricht sich die Europäische Kommission dafür aus, Dronabinol (Delta-9-Tetrahydrocannabinol) in die Anlage II aufzunehmen.
Was lehnt die Kommission ab?
Die EU-Kommission will nur drei der sechs Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) unterstützen. So schlägt die Kommission den Mitgliedsländern vor, die Aufnahme von THC-Präparaten, die bestimmten Kriterien entsprechen, in die Anlage III abzulehnen. Diese Anlage des Einheitsübereinkommens über Suchtstoffe von 1961 würde ein geringeres Kontrollniveau als die Liste I bedeuten.
Um welche Cannabis-Produkte geht es hier? Die WHO schlug die Aufnahme von Präparaten vor, „die entweder durch chemische Synthese oder als Zubereitung von Cannabis hergestellt werden, die als pharmazeutische Präparate mit einem oder mehreren anderen Inhaltsstoffen und in einer Weise zusammengesetzt sind, dass Delta-9-Tetrahydrocannabinol nicht mit leicht verfügbaren Mitteln oder in einer Menge gewonnen werden kann, die ein Risiko für die öffentliche Gesundheit darstellen würde“.
Diese Änderung lehnt die Kommission mit der Begründung ab, dass sie „eine zusätzliche regulatorische Belastung für die Mitgliedstaaten bedeuten könnte“. Außerdem stört sie sich am Wortlaut „pharmazeutische Präparate“, der nicht definiert ist.
Weitere Untersuchungen gewünscht
Die WHO möchte auch Cannabisextrakte und -tinkturen aus der Anlage I streichen. Diese Forderung will die Europäische Kommission noch nicht abstimmen. Stattdessen schlägt sie ihren Mitgliedsstaaten vor, dass „eine weitere Bewertung durch die WHO gefordert werden sollte“.
Ebenso folgt die Kommission nicht dem Vorschlag der WHO, CBD-Präparate aus der internationalen Kontrolle herauszunehmen. Die WHO hatte argumentiert, dass Cannabidiol (CBD) nicht gefährlich sei und therapeutischen Nutzen besitzt. CBD-Extrakte, die bis zu 0,2 Prozent THC enthalten, sollten daher dereguliert und am Markt frei erhältlich sein.
Die Tagesordnung der Sitzung der Suchtstoffkommission der Vereinten Nationen (CND) im März ist noch nicht finalisiert. Beobachter gehen aber davon aus, dass die Cannabis-Neubewertung dort Thema sein wird. Ursprünglich sollte diese bereits bei der Sitzung im Frühjahr 2019 abgestimmt werden, wurde dann aber verschoben (Leafly.de berichtete).